
29/08/2025 0 Kommentare
Vortrag: Synagogenarchitektur in der Region Fulda
Vortrag: Synagogenarchitektur in der Region Fulda

Die schrittweise Emanzipation der Juden in Deutschland im Laufe des 19. Jahrhunderts, die ihre zunehmende soziale, rechtliche und politische, wirtschaftliche und kulturelle Gleichstellung zum Ziel hatte, ließ sie auch als Teil der deutschen Gesellschaft offensiv in Erscheinung treten. Ein sichtbarer Indikator dafür war die Architektur der Synagogenbauten. In der Region Fulda entschieden sich mehrere jüdische Gemeinden für eine Synagogenarchitektur im Stil des „maurischen Historismus“, der auch als „orientalischer oder byzantinischer Historismus“ bezeichnet wird.
Die zu Beginn des Jahrhunderts noch geltenden Vorschriften, wonach jüdische Gebetshäuser und Synagogen in den Häuserfluchten oder in Innenhöfen im öffentlichen Stadtbild kaum wahrnehmbar sein durften, wurden im Verlauf des Jahrhunderts gelockert und schließlich ganz aufgehoben. Im Gegenteil: Die staatlichen Behörden drängten die jüdischen Gemeinden, insbesondere auf dem Land, dazu, neue und zeitgemäße Synagogen anstelle der mit der Zeit baufällig gewordenen Gebäude zu errichten. Mancherorts fielen Synagogen auch den verheerenden Stadtbränden in dieser Zeit zum Opfer und wurden dann neu im maurischen Stil aufgebaut.
Der maurische Historismus wurde oft gewählt, um eine ausdrucksvolle Außenwirkung zu erzielen und einen Bezug zur jüdischen Geschichte und Kultur herzustellen. Der Architekturstil weckte Assoziationen mit der „Goldenen Zeit“ des Judentums und der Toleranz in Spanien, während die orientalistische oder byzantinische Variante an die Kunst und Architektur des Orients und der Herkunftslandschaften des Judentums erinnerte. Diese Gestaltungselemente waren kennzeichnend auch für die Synagogen von Fulda, Tann, Burghaun, Gersfeld und Wüstensachsen und Ausdruck einer zunehmend selbstbewussten jüdischen Identität. Die vielfache Übereinkunft für Bau- und Gestaltungspläne im Stil des maurischen oder orientalischen Historismus wirkte identitätsstiftend in einer latent ablehnenden bis feindliche gesonnenen christlichen Mehrheitsgesellschaft.
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