Predigt zu Kantate am 28.4.2013 zu Jes 12: „Was heisst evangelisch sein?“

Friede sei mit euch allen, die ihr in Christus seid. Amen.

Liebe Vorkonfis, liebe Gemeinde!

Was heisst: „Evangelisch sein“?

Darüber habt ihr im letzten Vierteljahr in Eurer Familiengruppe bei N.K. einiges gelernt und nachgedacht. Das habt ihr erfahren dürfen, als ihr die Kirche erkundet habt. Und das habt ihr gelernt, als ihr gestern mit mir und vielen anderen Vorkonfirmanden und Pfarrer Pfeifer im Bibelmuseum in Frankfurt wart.

Gottesdienst kennt ihr auch schon, auf jeden Fall den Kindergottesdient, ein wenig auch schon den „richtigen“ Gottesdienst, also den, der eher für Erwachsene gedacht ist.

Ihr seid also für Euer Alter von neun Jahren bereits ziemlich weit auf dem Weg zu wissen, was das ist: Evangelisch sein.

Nun ist es die Aufgabe des Pfarrers, jeden Sonntag einen Abschnitt aus der Bibel vorzulesen und anhand dessen zu zeigen, was dieser Text für unser Leben zu sagen hat. Der Abschnitt, den ich heute Morgen vorlese und dann für euch auslege, der stammt aus dem Buch Jesaja im Alten Testament unserer Bibel. Es ist das gesamte und sehr kurze zwölfte Kapitel.

Hört selbst, was der Prophet Jesaja uns für heute Morgen mitteilt:


Predigttext: Jes 12

1 Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR, daß du bist zornig gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest.

2 Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn  Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.

3 Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen.

4 Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRN, rufet an seinen Namen! Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist!

5 Lobsinget dem HERRN, denn er hat sich herrlich bewiesen. Solches sei kund in allen Landen!

6 Jauchze und rühme, du Tochter Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir!

Liebe Vorkonfirmanden, liebe Gemeinde!

Was heisst das: Evangelisch sein?! Mit diesem Kapitel aus dem Jesajatext noch im Ohr will ich eine doppelte Antwort versuchen!

1. Evangelisch sein heißt, einer Religion anzugehören für besonders faule Menschen

2. Evangelisch sein heißt, einer Religion anzugehören für besonders fleißige Menschen.

Das ist aber eine widersprüchliche Antwort, werdet ihr jetzt bestimmt denken: Entweder jemand ist besonders faul, oder er ist besonders fleißig!

Fangen wir vorne an!

Zunächst sagt Jesaja, dass Gott seine Menschen tröstet. Gott tröstet seine Menschen, wenn wir traurig sind, wenn wir ihn brauchen. Wie Eltern auf ihre Kindr schon einmal sauer sein können und zornig werden, so schließt Gott seine Kinder später wieder in die Arme und tröstet sie.

Fast schon ein wenig zu naiv, zu menschlich gedacht und von Jesaja aufgeschrieben.

Fast schon ein wenig zu sehr am Vatergott des Psychologen Sigmund Freud dran, der (verkürzt) behauptete, dass Gott nur eine Einbildung sei, als dass wir das so ohne weiteres akzeptieren wollten.

Da ist schon einmal die erste Anfrage: Warum um Himmels Willen sollte Gott denn überhaupt zornig sein auf seine Menschen?

Warum sollte ihm denn irgendetwas nicht passen an so netten Jungs und Mädchen wie Euch Vorkonfis?

Oder gar unserem kleinen Täufling?

Wir haken da ein und kommen denkerisch nicht so recht weiter.

Wir wollen von Gott nicht be- oder verurteil werden, wollen nicht akzeptieren, dass der Gott des Alten Testaments ein Gott voller Zorn ist. Können nur schwer nachvollziehen, dass die Menschen dieser Zeit Gott als einen strafenden, unbarmherzigen Gott erlebt haben.

Dabei ist der Gedankengang, der dazu führte, so einfach nachzuvollziehen: Gott hat seinen Menschen gut erschaffen. Sie erweisen sich aber ständig als ganz und gar nicht gut. Streit, Lüge, Lieblosigkeit sind ja nur der Anfang, kriminelle Energien, Kriegstreiben und Völkermord das Ende der Palette an Schlechtigkeiten des Menschen – alles andere als Ruhmesblätter des Geschöpfes Mensch,

Also: Aus menschlicher Sicht kann Gott gute Gründe haben, zornig zu sein.

Nun schreibt der Prophet aber, dass sich Gottes Zorn gewendet hat und er nun seine Menschen tröstet.

Ja wie denn, haben sich die Menschen gebessert? Hat sich Gottes Zorn gewandelt, weil wir auf einmal allesamt immer artig sind und uns so benehmen, wie er es mal vorgesehen hatte? Nichts dergleichen. Da hat sich gar nichts geändert. Menschen sind, wie sie sind – seit Adam und Eva liegt´s uns Menschen im Blut, Sünder zu sein. Und trotzdem sorgt sich Gott um uns. Trotzdem tröstet er uns. Egal, was wir machen: Der hat uns lieb.

Deswegegen habe ich vorhin gesagt: Evangelisch sein: Das ist die Religion für die Faulen. Wir brauchen nichts machen, damit Gott uns liebt.

Was macht Gott denn dann aber mit uns, dass wir es erkennen können? Gibt es Zeichen dafür, dass das auch stimmt?

2 Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn  Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.

Wie kann der Prophet so etwas schreiben? Ich lese diese Prophezeiung auf uns heute bezogen. Auf Euch, liebe Bonhoeffergemeinde, und damit dann auch auf Euch liebe Vorkonfis!

„Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht“.

Dafür gibt es ein Zeichen, dass man selber dieses Gebet für sich immer und immer wieder sprechen kann. Durch die Taufe darf ich angstfrei und sicher durch´s Leben gehen. Ich habe keine Angst mehr vor dem Leben, wenn ich begriffen habe, dass Gott seit der Taufe ein besonderes Auge auf mich wirft. Der ist bei mir, der führt mich durch´s Leben – und wenn es nicht mehr weiter geht, dann wird er mich auf seinen Händen tragen.

Mit der Taufe könnt ihr gewiss sein: Gott ist Dein Heil!

Dann geht der Prophet noch weiter:

„denn  Gott der HERR ist meine Stärke“.

Wo bekommen wir Christen von Gott persönlich Stärke? Wo erleben wir Gott so nah, dass er in uns aufgeht und uns stärkt?

Beim Heiligen Abendmahl. Das ist der Ort, wo wir ganz konkret Gottes direkte Zuwendung in Form einer Stärkung erleben können. Wir essen nur ein kleines Stückchen Brot oder eine Oblate – und trinken nur einen kleinen Schluck Wein oder Traubensaft (die Kranken tunken auch manchmal das Brot hinein, um niemanden anzustecken), aber wir bekommen damit Kraft und Stärke von Gott selber.

Weiter schreibt der Prophet:

„denn  Gott der HERR ist mein Psalm“

Ein Psalm ist ein Lied. Und Gott als ein Lied erleben wir beim Feiern des Gottesdienstes. Hier beten wir und singen miteinander. Gott selber soll uns im Gottesdienst begegnen. Wir haben ihn immer wieder auf der Zunge – fast so wie ein Lied, das aus dem Kopf nicht verschwindet, ein Ohrwurm. Hier haben wir – wenigstens einmal in der Woche – Zeit und Raum dafür, uns auf den Schöpfer und Erhalter von Raum und Zeit – also einem jedem von uns – zu besinnen. Ihm zu danken, an ihn zu denken, uns seine Worte zusagen zu lassen.

„denn  Gott der HERR ist mein Heil.“

Das, liebe Gemeinde, erfahren wir, wenn wir wieder nach draußen gehen. In unsere Häuser, an unsere Arbeitsplätze, in unsere Familien. Da erweist sich Gott als unser Heil. Achtet doch einmal darauf, wo Gott in eurem Leben am Wirken ist. Wo er sich euch als der treue und freundlich tröstende Gott gezeigt hat. Ich bin mir sicher: Da könnte so mancher einiges erzählen, wie sich Gott völlig ohne Gegenleistung als der gnädige und barmherzige erwiesen hat.

Evangelisch sein: Religion für Faule!

Nun hatte ich aber eingangs noch einen zweiten Satz dazugestellt:

2. Evangelisch sein heißt, einer Religion anzugehören für besonders fleißige Menschen.

Wie kann denn das nun zusammen passen? Wo wir doch gerade gehört haben dass wir uns ganz entspannt zurücklehnen und Gott an uns wirken lassen dürfen? Bei der Taufe, beim Abendmahl, im Gottesdienst und im täglichen Leben?

Auch hier hilft der Prophet Jesaja weiter:

3 Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen.

Das heißt nicht mehr und nicht weniger als: Wer begriffen hat, dass Gott ihn völlig kostenlos und ohne Gegenleistung liebhat und unbedingt anerkennt, der ist darüber so begeistert, dass er diese Erfahrung an andere Leute weitergeben will. Der zögert nicht, wenn ein anderer Hilfe benötigt: So ein begeisterter hilft einfach. Und zwar immer dann, wenn es nötig ist.

Und je mehr er oder sie begeistert ist von dem, was Gott für uns getan hat, desto mehr wird derjenige so, wie Gott uns einmal haben wollte. Und dann werden wir selber zu Handlangern Gottes, werden seine Zeugen, seine Boten, seine Handwerker, seine Mitarbeiter an der großen Idee vom Reich Gottes, die sich in unserer Mitte in der Kirche bereits zu vollenden anbahnt.

Also: Bleibt richtig schön faul, was Euer Leben vor Gott angeht: Der sorgt für euch und ihr braucht nichts machen (das Abstrampeln für das Himmelreich überlassen wir einfach mal den anderen Konfessionen und Religionen).

Aber werdet damit gleichzeitig immer fleißiger, wenn es um Euer Leben mit den Menschen geht: Da dürft ihr euch anstrengen und das Gute, was ihr von Gott empfangen habt, freiwillig und ohne jeden Zwang weitergeben.

Als fröhliche und von Gott gestärkte Menschen.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.