PREDIGT ZU RÖM 5,1-5: CHRISTEN IN DER VERFOLGUNG
51 Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus;
2 durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.
3 Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, daß Bedrängnis Geduld bringt,
4 Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung,
5 Hoffnung aber läßt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist.
1. Einführung: Ich in der BAMF Gießen
Liebe Gemeinde,
am Montag bin ich mit einer iranischen Flüchtlingsfamilie zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nach Gießen gefahren. Die Kinder wurden vorher rasch in den Kindergarten nach St. Paulus gebracht, dann habe ich mich mit den beiden aufgemacht, um zur Anhörung, zum großen Interview zu fahren. Die Familie gehört seit letzten März zur Bonhoeffer-Gemeinde – er ist ein guter Kirchgänger und hilft in der Gemeinde ehrenamtlich mit, wann immer ich ihn frage. Sie ist ab und an beim Krabbelkreis dabei und hat jetzt angeregt, dass wir einen Glaubenskurs für Iraner anbieten sollen. Pfr. Pfeifer und ich arbeiten gerade daran.
Also nun: Anhörung in Gießen mit der ungewissen Aussicht auf ein Bleiberecht.
Bekommen diese Leute hier Asyl?
Oder werden sie zurück in den Iran geschickt werden?
Oder bekommen sie den unangenehmen Aufenthaltsstatus der „Duldung“, wo man auf Jahre hin zwischen den Stühlen hängt?
Wenn ihr euch auskennt, dann wisst ihr, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wie ein Gefängnis abgesichert ist – nach innen wie nach außen. Große stacheldrahtbewehrte Zäune, im Gebäude Gittertüren, wie ich es nur aus dem Knast in Hünfeld kenne. Ich durfte nicht einmal unbegleitet die Toilette benutzen – wovor die Beamten Angst haben, wurde mir leider nicht erläutert. Aber wahrscheinlich haben sie so schlechte Erfahrungen gemacht, dass das nötig ist.
Nach einer Stunde des Wartens wurden wir in eine kleine Amtsstube geführt. Ein völlig überarbeiteter Amtmann saß uns gegenüber an einem Computer, in der Ecke saß ein Auszubildender und hörte zu. Ich nahm an, das würde jetzt schnell gehen. Für mich stellte sich die Situation so einfach dar. Für den Beamten freilich nicht.
Zweieinhalb Stunden mussten die beiden erzählen. Alles schleppte sich lang hin, denn es wurde per Übersetzer, also mit einem Dolmetscher, verhandelt. Wie es im Iran war. Warum sie nun hier sind. Was das alles mit dem Christentum zu tun hat.
Im Iran gibt es Formen des Christentums, die erlaubt sind. Die Menschen, die in christlichen Familien geboren werden, dürfen ihre Religion behalten. Das sind in erster Linie orthodoxe Christen, oder Angehörige der armenischen Minderheit. Denen sind dann zwar eine Reihe von Berufen verwehrt und sie werden dadurch diskriminiert, aber sie dürfen ihren Glauben an Jesus Christus einigermaßen unbehelligt leben.
Doch wenn man sich als gebürtiger Moslem entscheidet, auch nur eine Kirche zu besuchen oder gar ein Christ werden zu wollen, dann ist man übel dran. Irgendwann spricht es sich herum bis in Polizei- oder Geheimpolizeikreise und man hat die Sicherheitsdienste bei sich im Haus.
Momentan gibt es im Iran eine Welle der christlichen Erweckung. Wahrscheinlich in keinem Land der Welt finden momentan so viele Menschen zu Jesus Christus wie im Iran. Untergrundartig läuft das Ganze.
Heimlich. Ohne eine Institution oder Organisation. Der eine sagt es dem anderen weiter.
Abbas erzählte bei der BAMF, wie er Jesus fand – oder vielleicht eher Jesus ihn: „Wir waren befreundet mit einem Mann namens Raschid, von dem wir wussten, dass er ein Christ war, ein evangelischer. Wir wussten auch, dass das verboten war – aber es gibt im Iran so vieles verbotenes – und die Leute machen das dann trotzdem. Eines Tages waren wir bei Raschid eingeladen und er hat uns gefragt, ob wir zusammen Musik machen wollen. Er könne aber nur fromme christliche Lieder spielen. Da haben wir dann zu dritt zusammen gesessen und gesungen und das erste Mal von Jesus aus der Sicht der Christen gehört. Wir kannten ihn ja schon aus muslimischer Sicht. Aber das jetzt war für uns etwas ganz neues. Wir trafen uns für die Musik noch drei oder vier Mal, und dann fragte er uns, ob wir mal mitkommen wollen in eine Untergrundkirche.
Jung und dumm wie wir waren, gingen wir mit. Die kleine Gruppe, die aus nicht mehr als 8 oder 10 Leuten bestand, betete, sang und diskutierte über die biblischen Bücher. Was wir da erfuhren, war eine Erlösung vom bisherigen Leben: Gott war auf einmal nicht länger finster, sondern freundlich und voller Liebe. Wir kannten vom schiitischen Islam immer nur die Androhung der Hölle und dass die Mullahs uns sagten, was wir tun sollen.
Und ständig wird in der Moschee und auf den Festen geweint aus Angst vor Gott. Wie anders waren diese Versammlungen! Fröhlich, positiv, voller Lachen. Als dann die Polizei vor unserem Haus stand, und unsere Flucht begann, dachten wir noch, dass sich alles einrenken würde. Wir hatten doch eigentlich nichts gemacht, meine Frau war schwanger und wir waren keine armen Leute im Iran. Erst haben wir bei Freunden übernachtet, dann sind wir über die Türkei abgehauen, als klar wurde, dass der iranische Staat wohl ernst macht. Aus der Zeitung haben wir in der Türkei erfahren, dass unsere Untergrundkirche zugemacht worden ist und alle Mitglieder verhaftet worden sind. Wir können nicht mehr so tun, als hätten wir das alles nicht erlebt: Wir können nicht mehr zurück in den Iran, einfach deswegen, weil wir den christlichen Gott gefunden haben. Und wenn wir dem nicht abschwören, dann werde ich gehenkt und meine Frau geht für immer ins Gefängnis.“
2. Der Apostel Paulus und die Situation der Verfolgung
Der Apostel Paulus schreibt zu dieser Erfahrung direkt. Er wusste von den Bedrängnissen, die Christen treffen können. Die ersten Verfolgungen oder zumindest Anfeindungen erlebte er noch mit. (Die Legende besagt, Paulus sei bei den Christenverfolgungen des römischen Kaisers Nero getötet worden.)
Er schreibt, dass wir uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes rühmen.
„Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, daß Bedrängnis Geduld bringt,
4 Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung,
5 Hoffnung aber läßt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist.“
Für mich ist das schwer einzusehen; warum sollten wir uns der Bedrängnis rühmen? Vielleicht verstehe ich das nicht, weil ich hier in großer Sicherheit lebe.
Aber für all die iranischen Christen im Untergrund, für all die Christen auf der Flucht aus Syrien und dem Irak, macht diese Abfolge durchaus Sinn. Sie passt zu ihrer Lebenserfahrung, die, wenn man so will, die dunkle Seite, die das Christentum mit sich bringt, thematisiert, nämlich dass es nicht einfach ist, ein Christ zu sein.
Ich versuche es mal aus meiner Position eines satten westlichen Christen:
Bedrängnis, so Paulus, führt zu Geduld.
Oh ja, die konvertierten Christen im Iran sind geduldig. Ich weiß von einem iranischen Konvertiten, der gegenüber einer armenischen Kirche gewohnt hat, aber aus Furcht nie hingegangen ist. Stattdessen hat er viel über das Christentum im Internet gelesen und ist darüber zum Glauben an Christus gekommen. Sonntags hat er durch das offene Fenster die Gesänge der Liturgie gehört und sich ausgemalt, was da wohl vor sich geht.
Ab und an mal hat er sich mit seinen Glaubensgeschwistern im Hauskreis heimlich getroffen. Bis auch da die Religionspolizei zugeschlagen hat. (Da hinten sitzt er übrigens).
Geduld ist nötig in Bedrängnis, und diese kommt einem einfach so zu, so Paulus. Warten, abwarten. Dann die Gelegenheit nutzen. Da ist ein Mitbruder, eine Mitschwester. Das wenige Wissen um Jesus teilen. Ein paar Kopien machen. Ein Gebet. Vielleicht ein Lied, wenn jemand eines kennt. Eine Umarmung. Schnell wieder aus einander gehen.
„Geduld aber führt zu Bewährung.“ Gemeint ist tatsächlich eine charakterliche Bewährung (dokimä), die durchaus eine Prüfung des eigenen Gewissens beinhaltet. Anders gewendet: Werde ich, wenn ich aufgrund meines Christseins verfolgt und bedrängt werde, trotz der Geduld, die ich erhalte, mich im Glauben bewähren? Oder werde ich aufgeben und hinschmeißen, mich den Bedrängnissen unterwerfen? „Dann werd´ halt wieder Muslim“, wurde geflüchteten Konvertiten gesagt, die gern in ihre Heimat zurückmöchten. Das ist für denjenigen vielleicht möglich, einfach hin und her zu wechseln, für den seine Religion nicht wichtig ist.
Schwarze Schafe mag es immer geben, die ihre neue Liebe für Jesus nur vorgaukeln, um ins reiche Deutschland zu kommen. Die gibt es zweifellos. Aber kommt man mit ernsthaften Konvertiten ins Gespräch, dann fällt eine Hingabe an Gott auf, wie ich sie bei den einheimischen Christen oft vermisse. Da ist etwas Unbedingtes, etwas Glühendes, eine Leidenschaft, die etwas hat von dem Christentum, das ein Paulus gepredigt hat
und das die späteren Generationen in den ersten Jahrhunderten, die apostolischen Väter, die Apologeten, wie Justin oder Origenes oder auch Tertullian es vor sich her trugen. Wer einmal vom Feuer der Liebe Jesu entflammt ist, der kann nicht mehr zurück. Der ist selbst in Bedrängnis und Geduld charakterstark und wird seinen Glauben bewähren.
Paulus weiter: Derjenige, der sich bewährt hat, lebt in der Hoffnung. Nämlich die Hoffnung auf Gott selber.
Das heißt: „Durch den Kampf mit den Anfechtungen im Durchstehen der Leiden wird die darin vorausgesetzte Hoffnung nur immer gewisser, stärker und bestimmender.“
Selbst, wenn Christen heute in Bedrängnis sind, haben sie die gute Hoffnung, dass sie für ihre Standhaftigkeit belohnt werden. Ewiges Leben ist schließlich keine Kleinigkeit!
3. Unsere Situation vor Ort
Und wir? Wir sind ja nicht im Iran, hier gibt es keine Christenverfolgungen. Was hat das alles mit uns zu tun? O doch. Es gibt sie.
Ich kenne nur wenige Flüchtlinge, die konvertierte Christen sind, aber alle erzählen mir von Bedrohungen und Gewalterfahrungen in den Asylantenheimen. Und alle meine Kollegen erzählen mir exakt das gleiche: Geflüchtete Konvertiten haben hier vor Ort Leidenserfahrungen gemacht, nur deswegen, weil sie Christen geworden sind.
Wo ist da die Bonhoeffer-Gemeinde, um diesen Leuten beizustehen? Wo sind die frommen Menschen, die sich religiöse Reden von Pfarrer Lange anhören, aber zurückschrecken, wenn der Glaube in die Bedrängnis geht? Wo ist euer Mitleiden, euer Mitfühlen mit euren Glaubensgeschwistern? Wo ist der Aufschrei der aufrechten Christen darüber, dass es dies sogar in unserem Land, direkt hier in Fulda, gibt?
Wollen die Christen in Deutschland nur den ersten Satz des Predigttextes? „Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus (V1)“.
Selbstgerecht Frieden mit Gott machen?
Bonhoeffer sagte einmal seinen Studenten: „Wer nicht für die Juden schreit, soll auch nicht gregorianisch singen.“
Ich möchte mich dem anschließen und euch sagen: „Wer nicht für unsere Glaubensgeschwister in unserer Nachbarschaft eintritt, der hat in einem evangelischen Gottesdienst nichts mehr verloren.“
Wir stehen damit vor einer Zerreißprobe: Zwischen denjenigen, die erkennen, was für eine gewaltige Aufgabe vor uns steht; die sich geduldig darin bewähren und die Hoffnung nicht aufgeben, weil sie wissen, dass sie mit Gott auf ihrer Seite nur gewinnen können – und denjenigen, die den Kopf in den Sand stecken und längst vergessen haben, dass unser Christentum in Deutschland genauso fragil, so zerbrechlich ist wie das im Iran.
Es gilt heute wieder mutig zu bekennen. Und sich dafür auch anfeinden zu lassen. Von den einen zum Gutmenschen abgestempelt zu werden, weil man für Flüchtlinge eintritt. Und von den anderen als rechtsradikal beschimpft zu werden, weil man beim Namen nennt, was Sache ist. Beides erlebe ich immer wieder.
Zu guter Letzt: Diese Menschen, von denen ich rede, sind nicht die Täter von Paris oder Istanbul oder Köln. Es sind die Elenden, die Opfer aus den Kriegsgebieten, Unterdrückte der Islamischen Staaten, Menschen,
die in dieser Welt Frieden und Ruhe suchen, Geborgenheit für sich und ihre Familien. Menschen, die als unsere Glaubensgeschwister tapfer Jesus als den Herrn bekennen. Unter uns aber stellt manch einer sie im Übereifer unserer endlosen Debatten zu den potentiellen Mördern und Attentätern. Angstgetriebene verschanzen sich hinter Mauern und Zäunen und Belastbarkeitsgrenzen als seinen wir eine belagerte Stadt. Als könnte man nicht differenzieren!
Angst macht blind. Und darum ist mir dies heute morgen so wichtig. Vergesst Eure Glaubensgeschwister nicht: Die Hilfesuchenden bei uns genausowenig wie die Verfolgten im Iran oder in Syrien. Verleih ihnen eine Stimme. Misch dich ein. Werde Pate für einen konvertierten Christen, eine konvertierte Christin.
Wenn du das nicht kannst: Bete für sie. Jeden Tag!
Ja, auch wir verspüren zunehmend Angst um uns, um unser Land, um unsere Freiheit. Aber diese Angst darf unsere Barmherzigkeit nicht besiegen. Unseren Charakter, der gerade in der Bedrängung sich bewähren soll. Im Vertrauen auf die Herrlichkeit Gottes.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
LIED: IN DEINE STILLE KOMME ICH