Predigt zu Joh 20,11ff: Maria von Magdala
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus, der von den Toten auferweckt wurde!
Predigttext:
11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab
12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten.
13 Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.
14 Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, daß es Jesus ist.
15 Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen.
16 Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!
17 Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
18 Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.
- Der äußere Rahmen: Trauer von Maria = Unsere Trauer
Da steht eine Frau an einem Grab und weint. Sie ist völlig fertig, dass ihr geliebter Mann gestorben ist. Und dann sieht sie mit einigem Erschrecken:
Das Grab wurde geöffnet. Ihr Mann liegt nicht mehr da, wo er vorhin noch gelegen hat, als er beerdigt wurde.
Stattdessen sitzen da zwei merkwürdige Gestalten im Grabloch und fragen sie: „Frau, was weinst du?“
Die tränenüberströmte Frau merkt nicht, dass diese beiden Gestalten Engel sind, die ihr die Nachricht der Auferstehung des Gottessohnes weitersagen wollen.
Die tränenüberströmte Frau weiß nur: Irgendjemand hat den geliebten Leichnam weggenommen.
In der Trauer ist ihr kein über-die-Grenze-Denken möglich.
In der Trauer sieht Maria von Magdala nur das leere Grab – und verzweifelt.
Sie sucht den Toten bei den Toten auf – und findet ihn nicht.
Maria weiß genau: Der war mauestot, dieser Jesus.
Und wir alle wissen: keiner kann einen Toten zurückbringen.
Keiner, der tot und begraben liegt, kann ins Leben zurückkehren.
Das wissen wir so sehr, dass an diesem Wissen niemals gerüttelt werden darf.
Wenn wir an unsere Gräber gehen und ein Grab ist auf einmal leer, die Erde zerwühlt und der Sarg liegt offen darin – dann gehen wir zur Polizei oder gleich zur Staatsanwaltschaft.
Tote erheben sich nicht aus den Gräbern.
Nicht bei uns – und auch nicht bei Maria von Magdala.
Und auch nicht am Ostermorgen.
Und dann tritt eine weitere Gestalt in die Grabhöhle hinein.
Maria erkennt nicht, wer das ist: Wohl jemand vom Friedhofspersonal, vielleicht weiß der, wer hier das Grab von Jesus geschändet hat und wo der Leichnam hingeräumt wurde.
„Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast. Dann will ich ihn holen.“
So verzweifelt ist Maria von Magdala mittlerweile, dass sie ohne Klagen selbst helfen will, alles wieder zurechtzubringen.
Jesus gehört ins Grab hinein.
Er muss hier liegen, damit er eine letzte Ruhestätte hat.
Er gehört in ein Grab, er darf nicht draußen in der Wildnis, auf einem Friedwald, in einem Seebegräbnis beerdigt sein.
Jesus muss ins Grab des Joseph von Arimatäa zurück!
Maria von Magdala ist bereit, alles zu geben, damit die Welt wieder so wird, wie sie sein sollte.
Ein Grab scheint geschändet zu sein – sie will dafür sorgen, dass es wieder geschlossen wird.
Und dann tritt der vermeintliche Leichnam auf.
Jesus selbst ist es ja, der da in der Tür des Grabes steht und sie anspricht.
„Maria“, sagt er bloß.
Und sie erkennt ihn.
Sie begreift in dem Moment, als Jesus selbst zu ihr spricht, warum das Grab leer ist, beginnt nun zu begreifen, was diese beiden Gestalten im Grab von ihr wollten, dass das Boten Gottes sind,
dass die Welt durch die Augen Gottes eine ganz andere ist als die bisher gekannte.
Und sie lässt sich hineinnehmen in den Glauben an den Auferstandenen Jesus.
Wenn wir an unseren Gräbern stehen, dann…
– ach was wollen wir weiter von Gräbern hören! Wo der Auferstandene selbst doch mit seinem Wort zu uns spricht, wenn wir ihn feiern!
Wenn wir an unseren Gräbern stehen, dann sind wir traurig, wie Maria es war. Aber wenn wir die Stimme des lebendigen Gottes hören, dann spüren wir doch in uns die Gewissheit der Auferstehung von Jesus und uns selbst und unserer lieben Angehörigen!
Wir werden mit ihm leben. Das ist heute die Botschaft. Und unsere lieben Verstorbenen ebenso!
Maria drängt es, hinaus zu gehen und den anderen davon zu erzählen. Und sie tut das ziemlich unaufgeregt: „Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.“
Da wird nichts mehr hinzugeschmückt, um die Geschichte glaubhafter zu machen – was wollte man auch noch mehr sagen!
Der Herr ist auferstanden. Halleluja! Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!
2. Der innere Rahmen: Maria will zu Christus gelangen, aber sie sieht ihn nicht
Maria ist ja eine gläubige Frau.
Sie hat Vertrauen zu Gott und hatte dieses Vertrauen auch zu Jesus gehabt.
Auf die Idee, dass Gott mit Jesus aber etwas ganz anderes, neues, unerhörtes vorhat, kommt sie nicht.
Dazu reicht ihr menschlicher Horizont einfach nicht aus!
Sie will also Jesus aufsuchen und findet ihn nicht.
Sie weint, sie ist enttäuscht. Sie kann weder nach rechts noch nach links blicken.
Sie sieht die Engel nicht im Grab als Engel, die ihnen die Auferstehungsbotschaft bringen.
Sie sieht durch ihre eigene Verblendung nichts mehr.
Sie sieht nur noch Tod. Und Verlust.
Gott selbst hat sich klein gemacht und ist gestorben.
Das passt in ihr Menschenhirn nicht hinein.
Das erträgt man vielleicht noch an der Krippe im Stall mit einem süßen Baby, das selig lacht. Holder Knabe im lockigen Haar.
Aber man erträgt es nicht länger am Kreuz.
Und man erträgt es nicht länger in einem Grab, wo dieser holdselige Knabe hingerichtet gebettet wurde.
Maria erwartet von Gott nichts Besonderes.
Sie erwartet nicht einmal Trost.
Sie schaut hin und kann Gott nicht erkennen.
Die Tränen sind kein hinreichender Grund dafür, dass sie die Engel nicht sehen kann.
Die Trauer ist keine Begründung, dass sie Jesus erst einmal nicht sieht.
Die Begründung ist, dass sie Gott in ihrem Herzen klein gemacht hat.
Dass sie über ihn verfügen möchte. Statt zu akzeptieren, dass er stets der ganz andere ist.
Sie will ihn aufsuchen als den Toten. Als den Leichnam, den sie kennt.
Damals im Grab der Auferstehung. Und heute für uns ebenso, wenn wir uns vormachen, dass wir Gott aufsuchen könnten, indem wir uns unsere eigenen Vorstellungen von Gott machen.
Wir gelangen nicht zu ihm, wenn wir selbst uns Gott zurecht basteln. Wir gelangen nicht zu ihm durch ein noch so entschiedenes JA zu Christus und zum christlichen Glauben.
Wir gelangen nur dann zu ihm, wenn er einfach so zu uns kommt.
Wenn wir auf sein Wort hören.
Sein Wort, das wir in Predigt, Sakrament und eigener Bibellesung finden.
3. Der göttliche Rahmen: Christus gelangt zu Maria
Christus gelangt zu Maria – unerwartet. Was tut er: Er spricht sie mit Namen an.
Er sagt allein den Namen und dringt so bis in ihr Herz hinein.
Mit Maria hat er etwas vor. Sie soll diese Geschichte weitersagen.
Sie soll verkündigen.
So wird aus dieser Frau im Johannesevangelium die erste Predigerin des Ostergeschehens.
Gemäß dem Evangelisten ist das Entscheidende aber:
Maria wird gefunden.
Ihre eigene Suche ging in die Irre.
Sie hat es nur bis vor das Nichts eines leeren Grabes geschafft.
Als Lebendiger offenbart sich ihr Jesus am Grab, und ermahnt sie dann sogar noch: Halte mich nicht auf, rühre mich nicht an, geh aus dem Grab und verkündige das Leben bei Gott!
Die Frage, wen sie eigentlich sucht, wird selbst durch den beantwortet, der sie aufsucht und findet.
Und ihr eine neue Sicht auf Gott ermöglicht.
Sie hatte Jesus zwischen Grabtüchern und Friedhofsgemüse gesucht. Sie findet nichts als das. Grabtücher, Friedhofsangestellte, Friedhofsgemüse!
Stattdessen findet er sie – und zwar in tiefster Innerlichkeit.
Mit der Nennung des Namens gelangt er zu ihr.
Mit den Ohren und dem Herzen, nicht mit den Augen.
Und natürlich lebt er.
Natürlich ist er nicht tot!
Diese Begriffe spielen für Christen doch überhaupt keine Rolle mehr, will uns der Evangelist Johannes damit belehren.
Selbstverständlich ist er der Auferstandene, der als ewiger Gott der König des gesamten Kosmos ist und der das Universum ausfüllt.
Das zu erwähnen ziert sich das Johannesevangelium in dieser Geschichte, da es ja sonnenklar vor Augen steht!
Freilich werden wir uns wiedersehen, wenn wir einmal sterben. Selbstverständlich werden wir mit hineingenommen in die Auferweckung von Jesus.
Er ist uns vorangegangen, damit wir wenigstens diesen Aspekt der ganzen Andersartigkeit unsres Gottes begreifen lernen – so wie Maria von Magdala es begreifen lernte durch die Anrede mit nur einem einzigen Wort, ihrem Namen!
4. Fazit: Wir sind diejenigen, die von Christus aufgesucht werden. Uns trifft dieses „Maria“
Auch bei den Taufen eben gerade ging es darum: Mit den eigenen Namen wurden diese Menschen in die Nachfolge Jesu gerufen.
Er sucht euch auf. Ihr braucht euch nicht einmal bewusst entscheiden.
Denn Christus hat sich längst für euch entschieden.
Und die „Kirche des Wortes“ wird nicht aufhören, eben das zu verkündigen, will sie noch Kirche genannt werden.
Und es macht mir persönlich Mut, wenn Menschen dann doch auch im Erwachsenen-Alter ihren Weg zu unserer Kirche finden.
Oder um im Bilde zu bleiben: Wenn Menschen sich von Christus finden lassen und die Andersartigkeit Gottes auch in der anderen Konfession, bei uns Protestanten, entdecken und als den klareren oder wahrhaftigeren Weg zu Gott erleben.
Mit all denen, die wie Maria ins Leben bei Christus gerufen werden, danke ich Gott dafür, dass er getan hat, was er tat!
Der Herr ist Auferstanden. Halleluja!
Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.