1. Sonntag nach Epiphanias 2011 – Zur Heiligung des Sonntags

Predigt zu Mt 4,12-17

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,

der die Welt erleuchtet,

sei mit euch allen.

Der Predigttext für den heutigen 1. Sonntag nach dem Erscheinungsfest steht im MtEv im 4. Kapitel. Es ist der Beginn des Wirkens Jesu in Galiläa

12 Als nun Jesus hörte, daß Johannes gefangengesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück.

13 Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali,

14 damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jesaja 8,23; 9,1):

15 »Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das heidnische Galiläa,

16 das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.«

17 Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen:

„Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“




Liebe Gemeinde,

in der Zeitung konnte man diese Woche lesen, was der katholische Bischof Algermissen beim Neujahrsempfang u.a. gesagt hatte: Christen sollten den verkaufsoffenen Sonntag boykottieren.

Letzten Endes ist der Ruf des Bischofs ähnlich unbequem wie der Ruf Jesu damals in Galiläa: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nah herbeikommen!“

Vielleicht heute zu übertragen in:

„Besinnt euch endlich auf das Wesentliche und ändert euer Leben, denn Gott ist ganz nah an euch dran.“

Zunächst einmal ist zu sagen:

Wer Sonntags einkaufen gehen möchte, der darf das in unserem Land tun, ohne dass er sich vor irgendwem dafür verantworten müsste. Und wer ein Christ ist, der darf das in unserem Land ebenfalls.

Zu sagen: „Wer sonntags einkaufen geht, der kann kein Christ sein“, der zieht einen Kurzschluss.

Auch wenn laut TED-Umfrage der Fuldaer Zeitung diese Woche 92% dem Satz, dass Christen sonntags nicht einkaufen gehen dürfen, zugestimmt haben.

Es ist die Analogie, die uns hier den Weg weist: Christen sollen doch eigentlich auch nicht lügen und begehren.

Und doch tun sie es immer wieder und bleiben dabei Christen.

Was ist also die richtige Spur, wenn wir uns dem Ruf nach der Buße, der Änderung des Lebens nähern wollen?

„Du sollst den Feiertag heiligen“, sagt uns das dritte der 10 Gebote.

Verstößt du dagegen, wenn du am Feiertag einkaufst?

Bei manchen von Ihnen sehe ich Zustimmung im Gesicht.

Andere denken noch nach….

In orthodoxen jüdischen Familien wird diese Feiertagsruhe ganz besonders streng praktiziert: Nicht mehr als 1000 Schritte soll  man am Sabbat gehen; man soll keine Elektrogeräte ein- oder ausschalten, kein Feuer anzünden, nicht arbeiten und freilich auch nicht einkaufen gehen.

Bei uns Christen geht es in der Debatte aus der Zeitung ja um viel weniger.

Soll man Sonntags einkaufen gehen oder lieber nicht?

Eben in dieser Frage liegt meines Erachtens schon der Fehler. Wer nur dieser Frage nachgeht, der verrennt sich hoffnungslos.

Die nächste ist dann nämlich: Darf man denn am Feiertag schwimmen gehen? Oder ein Restaurant besuchen, wo andere für einen kochen?

Der Kunstgriff, dieses Gebot auf diese oder jene Tätigkeit zu beschränken, ist viel zu wenig.

Heiligen des Feiertags.

Darum geht es.

Nicht: Was ist alles verboten.

Sondern umgekehrt: Was heiligt den Feiertag?

Zunächst einmal: Ein Gebot gilt erst dann als erfüllt, wenn man seine Notwendigkeit einsieht und dann auch danach handelt.

Diese Einsicht und anschließende Handlung nennt Jesus Buße.

„Seht ein, dass meines Vaters Gebote gut FÜR EUCH sind“, könnte Jesus uns zurufen.

Seht das ein – und setzt das auch in eurem Leben um!

Weil es FÜR EUCH gut ist.

Gott hat wohl relativ wenig davon, ob jemand Sonntags einkaufen geht, in die Rhön zum wandern fährt oder daheim auf dem Sofa bleibt.

Es ist ihm aber auch nicht egal!

Er interessiert sich für seine Menschen. Er interessiert sich so sehr für uns, dass er uns gute Regeln für unser Zusammensein gegeben hat, die für uns einfach nur gut sind.

In dem Fall: Es ist gut für uns, wenn wir den Feiertag heiligen.

Eine ganze Lebenshaltung ist dafür gefordert. An allen Feiertagen – und der Sonntag ist der regelmäßig wöchentlich wiederkehrende Feiertag bei uns – sollen wir uns Zeit nehmen für deren Heiligung.

Selbstverständlich bedeutet das, sich dem Heiligen auch auszusetzen.

Und das Heilige ist Gott allein.

Und Gottes Wort ist für uns am leichtesten zu hören im Gottesdienst an den christlichen Feiertagen.

Hier im Gottesdienst, in den biblischen Lesungen und in der Predigt, hier ereignet sich Gottes Wort.

Hier ist uns Gott ganz besonders nahe – Gottesdienst ist doch Dienst Gottes am Menschen!

Es ist ein großes Missverständnis protestantischer Christen, dass nur Katholiken die Pflicht zum Kirchgang haben.

Wir haben diese Pflicht ganz genauso um der Heiligung des Sonntags willen! – Nur nehmen sich viele evangelische die falsch verstandene Freiheit, gegen diese Pflicht zu verstoßen.

Freilich: Wir dürfen auch das tun – gegen Pflichten verstoßen.

Wer sollte es uns auch verbieten. Genauso wie uns kaum einer verbieten kann zu lügen, zu begehren oder noch andere Götter als Gott allein (teilweise unbewusst) anzubeten. Wirklich verbieten kann uns das niemand.

Allein ob es für uns und unsere Nächsten gut oder schlecht ist, zeigt sich früher oder später.

Wenn der Gottesdienstgang also als eine Pflicht verstanden wird, wie könnte man das Gebot zur Heiligung des Feiertages noch erfüllen?

Auch hier wieder die Falle: Die Frage, ob dies oder das genügt, führt in die Irre!

Zur Heiligung gehört mehr als die Abfolge gewisser Handlungen.

Es mag helfen, auf das zu schauen, was Jesus an Feiertagen selber getan hat.

Jesus ging am Sabbat selbstverständlich in den Tempel, lehrte und hörte.

Er machte aber auch einen Spaziergang durch die Kornfelder (Mk 2) und seine Jünger pflückten ein paar Ähren und kauten darauf rum.

Das war manchen Schriftgelehrten damals schon so viel Verstoß gegen das Gebot, wie heute dem Bischof der Einkauf am Sonntag.

Und: Jesus heilte Menschen am Sabbat. Auch hier hagelte es Kritik an der Nichtachtung des Feiertags.

Gegen beides hatten die Schriftgelehrten damals etwas.

Und Jesus macht uns und ihnen klar: Der Feiertag, der soll ein Tag für uns sein.

Nicht umgekehrt.

Ihr sollt ihn heiligen, ganz klar.

Aber er soll kein Nervtag sein, an dem man aus dem Gebote befolgen kaum noch herauskommt.

Der Feiertag ist für den Menschen da und nicht umgekehrt.

Die Frage: „Darf ich Sonntags einkaufen gehen?“ stellt sich für den nicht, der dringend ein Medikament benötigt – der geht einfach zum Notdienst der Apotheke und kauft die dringende Medizin für sich oder seine Angehörigen.

Sie stellt sich aber auch dem  nicht, der sein Leben unter Gottes Wort gestellt weiss und sich am Sonntag die Energie für die Woche im Gottesdienst holt. Der sich dem Heiligen aussetzt.

Die Frage, „darf ich sonntags einkaufen gehen?“ stellt sich eigentlich ohnehin nur dem, der die Antwort schon längst kennt: Natürlich darf ich das, aber das tut  mir noch lange nicht gut!

Die anderen stellen sich diese Frage doch gar nicht! Denen ist das egal – ob Sonntag, Feiertag, evangelisch oder katholisch!

Viel besser ist das, den Tag zur Heiligung zu nehmen, über Gott, die Welt und sich selbst nachzudenken – und das in der Gemeinschaft der Heiligen, freilich in der Kirche – denn alleine verfällt man ja doch allzu leicht ins Grübeln.

Oder gerät in die Banalität hinein, ins Triviale, sitzt zappend vor dem Fernseher oder meint, Einkaufen sei ein echtes Erlebnis.

Wie krank ist eigentlich eine Kultur, die das Erledigen von Geschäften und Einkäufen als angenehme Abwechslung im Alltag empfindet?

Hat also der katholische Bischof recht mit seiner Rüge?

Ja, er hat recht, wenn konkurrierende Unternehmen sogenannten Sachzwängen folgen. Die in Kassel machen das und die in Frankfurt, dann müssen Fulda und Petersberg nachziehen.

Ganz deutlich kann ich dem Bischof da nur Recht geben!

Es ist höchste Zeit einen Schritt weiter zu denken, und zu beschließen:

Lassen wir´s doch alle.

Wenn Frankfurt nicht, dann Kassel nicht, dann Fulda und Petersberg ebenfalls nicht.

Allein der Gott Mammon herrscht, wo solchen Zwängen gehorcht wird.

Ja, er hat recht, wenn (noch mehr als ja ohnehin schon nötig) Menschen am Sonntag arbeiten müssen; meist sind es ja doch Familienmütter und –väter. Eine Schande ist das, dass Arbeitnehmer (freilich indirekt) gezwungen werden, den allgemein verbindlichen Ruhetag hinzugeben – wohlgemerkt für Tätigkeiten, die ebenso gut auch in der bislang als normal erachteten Arbeitswoche getan wurden und auch noch werden.

Wer das einmal miterlebt hat, den Druck eines Konzerns, der weiss, was es in letzter Konsequenz heisst, dem Gott Mammon dienen zu müssen: da ist kein Platz für dich, da ist allein Platz für Mammon!

Ja, er hat Recht darin, dass über Christen hinaus der Sonntagsschutz Bedeutung hat von „verfassungsrechtlichem Rang“.

Was tun sich auch Nichtgläubige oder Andersgläubige damit an, wenn der eine allgemeine verbindliche freie Tag der Woche mehr und mehr dem Gott Mammon geopfert wird?

Ja, insgesamt gebe ich ihm recht.

Aber das Einkaufsverhalten der Menschen ist nur der Ausdruck dafür, wie wenig die Heiligung des Feiertags noch in unseren Köpfen verankert ist.

Die Zahlen solcher Sonntage sprechen Bände.

Viele Leute wollen das Gebot eben auf ihre Weise halten. Die Banalität des Geldausgebens wird zum Erlebnis, ja vielleicht sogar zum Opferdienst – ein großer Feiertag für Mammon.

Die Leute wollen das eben so.

Banalisierung des Sonntags.

„Tut Buße, denn das Himmelreich ist nah herbeigekommen!“ ruft uns Jesus zu.

Und mit dem Einkauf ist es nicht getan.

Es ist die Geisteshaltung, die innere Einstellung zur Gesamtheit des eigenen Lebens und seiner Nächsten, die jeder für sich angehen muss.

Der große Philosoph Immanuel Kant hat einmal sinngemäß gesagt:

„Du sollst, denn du kannst; und du willst, weil du sollst.“ 2x

Auf die Heiligung des Sonntags bezogen: Das Gebot ist von Gott in der Welt. Wir SOLLEN uns danach richten. Es ist auch möglich, dieses Gebot zu erfüllen, also KÖNNEN wir das auch tun. Und der letzte Schritt ist der der Vernunft. Wir WOLLEN das auch, weil wir es sollen.

Das ist vielleicht nicht so leicht einzusehen, dass man etwas will, weil man es soll.

Aber wenn die Einsicht da ist, dass das Gesollte, das man ja auch kann, gut und richtig für dich und andere ist, also sogar für alle gut und richtig, dann bleibt nichts anderes übrig, als das zu wollen, was man soll.

Wenn wir also vor die Frage gestellt sind, ob wir am Feiertag einkaufen gehen dürfen, so ist die Frage mit Kant leichter beantwortet:

Wir SOLLEN am Sonntag den Feiertag heiligen. Durch unseren Einkauf KÖNNEN wir dies aber nicht tun, da wir uns selbst statt dem Heiligen dem Banalen widmen und Verkäufer und andere da auch noch mit reinziehen.

Schlimmstenfalls dienen wir mit unserem Einkaufsbummel dem Gott Mammon; heiligen können wir den Tag so nicht.

Folglich – so würde Kant weiterargumentieren – wollen wir selber auch gar nicht am Feiertag einkaufen, da uns dies die Vernunft verbietet.

Ja, wir müssen mit unserer Haltung sogar versuchen dazu beizutragen, dass sie allgemeines Gesetz unter allen Menschen wird.

Liebe Gemeinde,

soweit der große Königsberger Philosoph.

Es ist da aber auch noch ein weiteres, das bei uns zur Anwendung kommt.

Das Gebot, das Wollen, das Können und das Sollen ist die eine Seite.

Dafür stehen Immanuel Kant, genauso wie der Vorläufer von Jesus Johannes der Täufer und das ganze Alte Testament.

Und oft genug haben wir es schon an uns selber bemerkt: Vernunft, Gebot, Gesetz, Appell, werden oft genug überrumpelt vom inneren Schweinehund, von Trägheit, von unserer Sünde.

Das, was bei uns Christen noch weiter zur Anwendung kommt, ist Jesus selber:

Der will, dass ihr euch in die richtige Richtung hin ändert.

Buße tut.

Und dies geschieht allein durch den Glauben.

Da braucht es keiner großen Anstrengungen der Vernunft, keiner philosophischen Logik, wenn der Glaube es ist, der uns zur Versammlung der Gläubigen ruft, wenn der Feiertag da ist und geheiligt werden will.

Es ist auch kein Verstoß gegen das Gebot, wenn dringende Dinge, wie Menschen in Not, das Pflegen von Anbefohlenen, oder gewisse Tätigkeiten erledigt werden müssen.

Allein: Die Glaubensvergewisserung im Gottesdienst tut Not. Ohne die Glaubensvergewisserung in Predigt und Gebet driften wir ganz schnell ab ins Banale, ins Unwesentliche, in den Bereich eben des ganz und gar Nicht-Heiligen.

Und so bleibt, wie so oft zum Schluss einer Predigt von der Buße, das Doppelgebot der Liebe:

Gott von ganzem Herzen lieben – etwa durch das Feiern von Gottesdiensten in der Gemeinschaft der Gläubigen in der Kirche;

Und den Nächsten lieben wie sich selbst – immer, aber auf jeden Fall immer dann, wenn Not ist.

Dann, liebe Gemeinde, dann ist zwar nicht jeder Tag in unserem Leben ein Feiertag,

aber jeder Tag ist durch den geheiligt, dem wir unser Leben, unsere Welt und auch unseren Ruhetag zu verdanken haben.

Amen!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Lied EG 640 Laß uns den Weg der Gerechtigkeit gehn