Predigt zu Quasimodogeniti 2012 – Auferstehung? Nein Danke!

Predigt zu Kol 2,12-15

Kanzelgruß:

Friede sei mit euch allen,

die ihr in Christus seid. 

Amen.

Predigttext:

12 Mit ihm seid ihr  begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch  auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten.

13 Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr  tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden.

14 Er hat den Schuldbrief getilgt, der  mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet.

15 Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.


  1. Letzte Woche Ostern – und heute?

Liebe Gemeinde,

am vergangenen Ostersontag habe ich mich am Ende meiner Predigt über das Osterlachen ein wenig aus dem Fenster gelehnt mit einem persönlichen Bekenntnis zur Auferstehung von Jesus. Ich sagte:

„Ich weiß nicht, ob ich das alles so 1:1 für historisch wahr halte. Ich weiß nur, dass ich darauf vertraue und davon lebe. Und darum kann ich lachen!“

Das befreiende Lachen wurde als ein Merkmal des Glaubens an die Auferstehung von mir herausgestellt – und glaubte man den amüsierten Reaktionen hier im brechend vollen Gemeindezentrum, so schien der Glaube an die Auferweckung doch noch nicht verloren.

Fröhliche Heiterkeit: Diese steht zusammen mit tiefem Ernst und dem Ringen nach der Wahrheit an vorderster Stelle lebendigen Glaubens an Christus.

Fröhliche Heiterkeit: Sie erwächst automatisch aus dem tiefen Ernst im Glauben an die Auferweckung, wenn man feststellt: „Ich bin nicht verloren. Die Vorfahren ebenso nicht. Und auch nicht die, die mich umgeben und die, die nach mir kommen. Ich werde meinen zu früh verstorbenen Sohn wieder im Arm halten. Ich werde meine verstorbene Mutter wieder küssen. Ich werde mein Versagen und meine Schuld vergeben bekommen.“

All das führt den wahrhaft Gläubigen bei allem tief empfundenen Ernst doch zu fröhlicher Heiterkeit.

Noch ist es nicht soweit, aber schon jetzt haben wir die Gewissheit, dass es so kommen wird.

Letzte Woche: Ostern!

Dieser Sonntag: Wie die Neugeborenen!

Als wäre jeder Tag unser Geburtstag, als wären wir rein und unschuldig: so denken, fühlen und handeln wir im Glauben an den Auferstandenen.

Oder anders, vorsichtiger ausgedrückt: So dürfen, könnten, sollten wir sein.

Wie die Neugeborenen!

2. Was ist Auferstehung?

Der Glaube an den Auferstandenen fällt bei allem tiefen Ernst und aller fröhlichen Heiterkeit nach wie vor vielen schwer.

Das Ringen nach Wahrheit steht ihm oftmals im Wege.

Die scheinbar „vernünftige“ Welterfahrung steht ihm im Wege.

Wir haben noch keinen Toten zurückkehren sehen.

Lässt man die Beispiele von medizinischen Nahtoderfahrungsberichten fort, dann ist doch noch niemals jemand, der wirklich tot war, als Lebendiger zurückgekommen.

Alles sperrt sich in der menschlichen Vernunft dagegen, die Auferstehung Jesu Christi von den Toten anzuerkennen.

Die erste Reaktion auf den Bericht von dem leeren Grab und einer Auferstehung ist bereits im NT von der jüdischen Oberschicht überliefert:

Der ist von seinen Jüngern geklaut worden. Also: Das Grab war nur deshalb leer, weil andere geholfen haben, die Leiche fortzuschaffen.

Auferstehung? Nein Danke!

Die zweite Station führt uns zum Jesusbild, das eine christliche und weitverbreitete Sekte in der Antike hatte: Die sogenannten „Gnostiker“ sind davon ausgegangen, dass Jesus gar nicht hingerichtet wurde, sondern er sich nur zum Schein hat hinrichten lassen. Er war also nie wirklich tot, da sich diese Leute nicht vorstellen konnten, dass der Sohn Gottes – und damit Gott selbst – so weit gehen könnte, sich hinrichten zu lassen und zu sterben. Und erst recht nicht wie ein Verbrecher!

Übrigens hat sich Mohammed, der Prophet des Islam, dieser Auffassung mehr oder weniger angeschlossen, wenn er in Sure 4 sagt: „Doch sie töteten ihn nicht und kreuzigten ihn nicht, sondern er erschien ihnen nur so“ (oder anders übersetzt: „es erschien ihnen ein anderer ähnlicher.“).

Wo kein Kreuzestod, da auch keine Auferstehung.

Also auch hier: Auferstehung: Nein Danke!

Doch die Reise geht weiter, hin zur Aufklärung und bis in die Moderne hinein: Jesus wurde zwar gekreuzigt, aber er wurde nicht getötet. Als Scheintoter lag er im Grab. Später erholte er sich dann und floh nach Galiläa. Alle Jahre wieder können wir dann in Stern, Spiegel und Fokus erfahren, dass Jesus seine letzten Lebensjahre in Indien zugebracht hätte.

Auferstehung: Nein Danke!

Und schließlich immer weitere Versuche, die Auferstehung mit unserer Vernunft in Einklang zu bringen: Jesus sei den Jüngern bloß „erschienen“, und diese Phantasten konnten eben nicht anders, wird die Auferstehung wegpsychologisiert. Schließlich sind auch Massenphänomene von Erscheinungen aus der Psychologie bekannt.

Auferstehung? Nein Danke!

Die biblischen Texte seien nicht gut genug, ist eine weitere Kritik. Nicht nah genug dran am Ereignis.

Das älteste Evangelium, das des Markus, wird erst um das Jahr 70 geschrieben – immerhin vierzig Jahre nach der Kreuzigung.

Und der Apostel Paulus schreibt zwar früher, aber da ist nie von einem leeren Grab die Rede.

Pls geht es um Kreuz und Auferstehung.

Was mit dem Leichnam in der Zwischenzeit geschehen ist, interessiert ihn nicht besonders. Bis auf eine Notiz in 1. Kor 15, die aber bereits einer Bekenntnistradition folgt, schreibt Pls nichts von einem leeren Grab.

Das wurde wohl auch erst für spätere Generationen der wachsenden christlichen Kirche von Belang.

Wir können die Auferstehung nicht in dem Sinne für historisch wahr halten, wie wir wissen, dass Caesar den Rubikon überschritten hat.

Es hat ihn keiner auferstehen sehen. Man hat ihn nur hinterher gesehen – das ist ein kleiner, aber wichtiger Unterschied.

Die Historizität der Auferweckung entzieht sich dem, was wissenschaftlich nachweisbar ist.

Der Historiker mag sogar zum Schluss kommen, dass der Körper von Jesus liegengeblieben ist, oder seine Überreste an einem anderen Ort begraben wurden – für die Aussage des Glaubens, dass Jesus Christus auferstanden ist, tut dies aber alles nichts zur Sache!.

Gehen wir noch einen Schritt weiter: Stellt euch vor, dass es gar kein Grab von Joseph von Arimathaia gab, zu dem die Jüngerinnen am Ostertag gehen konnten.

Stellt euch vor, der Leichnam von Jesus sei irgendwo am Wegesrand bei Golgatha verscharrt worden!

Würde das euren Glauben in irgendeiner Weise berühren?

Ist denn ein Grab überhaupt nötig, um an den Auferstandenen zu glauben?

Nein, liebe Gemeinde, wir brauchen das Grab nicht, um an den Auferweckten zu glauben. Wir brauchen die Gewissheit, dass er als der Auferweckte bei den Menschen war.

Wir brauchen die Gewissheit, dass die Erscheinungen von Jesus echt waren – und nicht nur eine Illusion!

Bevor ich mit Euch einsteigen möchte in die Frage, was nun die Bedeutung dessen ist, was damals geschah, müssen wir uns über einige Dinge einigen.

Sonst könnte es sein, dass ich an Euch vorbeirede!

  1. Jesus ist gekreuzigt worden und war wirklich ganz und gar tot. So tot, dass auch unsere modernen medizinischen Apparaturen ihn nicht zurückgebracht hätten. 
  2. Jesus ist danach Menschen begegnet als einer, der auf neue Art und Weise lebendig ist.
  3. Diese Begegnungen haben eine Bewegung in Gang gebracht, die die Kirche in ihrer vielfältigen Gestalt wurde.

Alle einverstanden?

Gut, Dann gehen wir nun die Frage an, was die Erscheinung des Auferstandenen bedeutet.

3. Worauf es dem Predigttext ankommt

Nur mit diesen Bedingungen gilt das, was der heutige Predigttext uns zuruft:

Der Schuldschein ist mit Jesus ans Kreuz genagelt worden.

Euch wurde vergeben.

Ihr seid trotz all Eurer Schwächen und Fehler, eurer selbstverschuldeten Gottesferne, trotz all dem seid ihr durch den Gekreuzigten gerechtfertigt, oder – wie man seit einigen Jahren in Theologenkreisen zu sagen pflegt:

Ihr seid bei und von Gott unbedingt anerkannt.

Er erkennt euch an, denn der Schuldschein eures Lebens ist bezahlt.

Und da merken wir: Schon der Kolosserbrief selber ist Auslegung, ist Predigt, ist Verkündigung, wenn er das Kreuz nimmt und unseren Schuldschein daran heftet.


Der Historiker würde sagen: Stimmt nicht, am Kreuz starb Jesus von Nazareth.

Derjenige, der den Glauben an den Auferstandenen teilt, kann dem nur ins Gesicht lachen:
„Ja, so ist es, der starb da. Aber mit ihm starb die ganze Menschheit in ihrer Gottesferne.“

Das kann ich nur verstehen aus dem Glauben an die Auferweckung.

Und die kann ich nur Begreifen aus meinem eigenen Erleben mit Gott.

4. Worauf es uns heute ankommt

Dem Kolosserbrief kam es darauf an, herauszustellen, dass Kreuz und Auferweckung uns von dem befreien, was uns von Gott trennt. Im damaligen Sprachgebrauch war das die Schuld, die man auf sich geladen hat, wenn man gegen Gottes Gebote verstößt.

Sünde.

Doch worauf kommt es uns heute an?

Ist in unserer Umgebung denn ein besonderes Sündenbewusstsein überhaupt noch anzutreffen?

Die meisten leben doch ganz gut mit ihrer Sünde oder bemerken sie nicht einmal. Manche sind sogar stolz darauf.

Ein kluger Theologe bemerkte dazu, dass jede Epoche ihre eigene Vorstellung hat, wozu Jesus Christus gekreuzigt wurde und warum er dann auferweckt wurde.

In der Antike war es die Sorge um die Unsterblichkeit der Seele.

Sollte denn mit dem Tod alles zu Ende sein? Weiterleben, über den Tod hinaus, das war die Sorge der Menschen. Ein Kirchenvater ging soweit, das Abendmahl als Speise zur Unsterblichkeit zu preisen. (Manchmal denke ich, er hat recht).

Im Mittelalter war allen klar, dass es nach dem Leben weitergeht – aber da war die Frage dann, wie das Leben nach dem Tod aussieht: Himmel oder Hölle?

Die Papstkirche erfand noch das Fegefeuer als Zwischenstopp hinzu. Was wurde nicht alles in Bewegung gesetzt, doch bloß in den Himmel zu kommen! Der Ablass war noch harmlos gegen all die Kreuzzüge, Hexenverbrennungen und Geißelungen, die für das Himmelreich durchgeführt wurden.

Christus wurde vorgestellt als Weltenrichter, der Schlechtes gegen Böses aufrechnet, nur die Guten mitnimmt und den Rest verdammt.

In nachreformatorischer Zeit änderte sich dieses Bild des Auferstandenen zunehmens und wich der Frage, was wir in diesem Leben tun können, jetzt, da Christus für uns gestorben und auferweckt worden ist und wir das ewige Leben und das Heil im Himmel haben.

Mehr und mehr Fragen nach der Lebensgestaltung traten auf den Plan, so dass manch einer meinte (und leider immer noch irrigerweise meint), die Kirche sei nichts weiter als ein großer Wohltätigkeitsverein.

Angst, Lebensbewältigung, Sinnkrisen, Umbrüche des Lebens: Das waren und sind die großen Fragen, die mit Kreuz und Auferstehung im vergangenen Jahrhundert in Verbindung gebracht wurden.

Zwischen dem „Füge dich, Gott sieht alles!“ und dem gemeinsamen Batiken von Kirchentagschals liegen nur wenige Seiten Geschichte der Auslegung des Glaubens an den Auferweckten.

Doch was ist die Frage jetzt gerade 2012?

Was treibt Menschen um, die im relativistischen Zeitalter zwischen Pluralismus und Fundamentalismus eine Antwort auf genau was eigentlich suchen?

Liebe Gemeinde,

ewiges Leben, Himmel oder Hölle, Lebensregeln, Lebenskunst – nach wie vor sind das Themen, die die Herzen bewegen. Warum sonst haben gerade jetzt so viele Angst und Sorge vor den verrückten Moslems, die auf den Straßen Korane kostenlos verteilen? Wenn die Frage nach ewigem Leben, Himmel und Hölle und so weiter niemanden mehr beträfe, dann würde sich keiner einen Dreck um diese salafistische Sekte und ihre menschenverachtenden Meinungen scheren.

Dann würden wir sie genauso belächeln wie die Altkommunisten oder  die Zeugen Jehovas.

Woran liegt das, dass viele das gerade nicht tun?

Wie kommt es, dass es die Leute aufwühlt?

Das, was die Herzen vieler jetzt und gerade bewegt, ist doch die Frage, ob da überhaupt ein Gott ist.

Und wenn diese Frage dann positiv beantwortet, also bejaht wird:
Ob der sich überhaupt einmischt.

Ob Gott sich wirklich als Person offenbart hat? Ob Gott vielleicht als abstrakt gedacht werden sollte?

Liebe Gemeinde, ich weiß nicht, ob das eure Fragen sind.

Kirchenbesucher leben ja meist im Glauben an Christus.

Für euch – oder zumindest für die meisten von euch – ist der Umgang mit Kreuz und Auferstehung, der Bibel, ja mit Gott selber vertraut.

Aber Zweifel müssten euch genauso vertraut sein.

Vielleicht könnt ihr mir zustimmen, wenn ich sage: Glaube an Gott kann schon mal schwer sein. Aber mein Glaube kommt ja gar nicht von mir – mein Glaube wird von Gott gemacht, immer wieder neu.

Und dieser Gott erscheint uns in Jesus Christus als Person. So konkret wie möglich. Als Mensch, der sogar gestorben ist.

Aber auch so unglaublich wie möglich: Als Auferstandener.

Und ich darf mich in diesen Glauben hineinfallen lassen.

Und dann darf ich auf Gottes Wort hören.

Darf erkennen und verstehen.

Stück für Stück.

Darf mich intellektuell vom Glaubenswissen herausfordern lassen.

Darf mich meinen religiösen Gefühlen stellen.

Darf seine Gegenwart anbeten.

Und in dem Moment hört dann das zweifelnde Fragen auf. Und ich lebe aus der Anbetung heraus in der Gewissheit seiner befreienden Gnade.

Keine Schuldscheine mehr.

Dafür ewiges Leben.

Den Himmel.

Die Gemeinschaft der Heiligen.

Das unbedingte Anerkanntsein bei Gott.

Amen. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen