„Kinder, habt ihr nichts zu essen?!“ so fragt eines Morgens ein einsamer Fremder am Ufer des Sees. Gefragt ist eine Gruppe müder Fischer.
Textlesung Joh 21,12-17
12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.
13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt’s ihnen, desgleichen auch die Fische.
14 Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.
15 Als sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber, als mich diese haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer!
16 Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
17 Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
Liebe Gemeinde!
Das ist ein unvergesslicher Anblick: Dieser Fremde ist Jesus Christus. Etwa drei Tage nach Ostern zeigt er sich seinen resignierten Jüngern noch einmal leibhaftig. Leibhaftig heißt z.B., dass er morgens Hunger hat.
In dem Glaubenskurs, den wir am Samstag beginnen, werden uns keine schwierigen Dogmen beschäftigen. Kompliziertes würden wir schnell vergessen. Aber Leibhaftiges prägt ein Bild in unserer Seele ab, das wir nie vergessen werden. Nicht in Dogmen, sondern in Bildern bildet die Bibel unseren christlichen Glauben. Deshalb wird unser Glaubenskurs ein Bibelkurs sein: In Gesprächen über Gestalten der Bibel wird nach und nach jeweils ein Bild von ihnen entstehen.
Das gilt auch für das Bild, das sich jetzt am Seeufer entwickelt. Brot und Fisch essen Jesus und die Jünger zusammen. Dann sagt Jesus: „Simon, lass uns mal miteinander reden!“ Simon ist der alte Name von Petrus! Wir sehen Gottes Sohn mit gerade diesem Jünger etwas beiseite gehen. „Simon, hast du mich selbstlos lieb – mehr als die anderen?“ Bei dem Wörtchen „mehr“ ist Petrus hellwach – sein Lieblingswort! Erinnerungen steigen in ihm auf: Einst ließ Jesus die Gruppe allein über den See fahren. Als der Sturm gefährlich wird, erscheint Jesus. Er geht auf dem Wasser. Das fordert den Petrus heraus. Er will mehr als ängstlich im Boot zu hocken: „Wenn du’s bist, so heiße mich zu dir zu kommen“ und Jesus sagt tatsächlich: „dann komm!“ Und er kommt, als einziger!
Oder neulich, als ein Polizeitrupp Jesus vor den Augen der Jünger verhaftete. Petrus hat ein Schwert und säbelt einem Polizisten ein Ohr ab. Er will mehr, er will’s ihnen zeigen. Jesus macht schnell deutlich: So könnten wir arbeiten, aber so wollen wir nicht arbeiten! Es hätte schlimmer kommen können! Aber immer ist Petrus vorne dran, ein ausgeprägtes Alphatierchen.
Wir neigen in der Kirche zu falscher Bescheidenheit. „Das könnte ich nie!“ oder als Petrus gefährlich ins Wasser sinkt: „Das kommt davon!“ Ich behaupte: Wir brauchen in der Kirche Gemeindeglieder, die sich melden, wenn sie gerufen werden. Ja, wir brauchen Mitglieder, die mehr wollen. Jesus nimmt Petrus beim Wort: Du willst doch immer mehr; liebst du mich denn auch mehr?
Petrus sagt ja! Aber Jesus fragt erneut: „Simon, hast du mich wirklich lieb?“ Bitte lassen Sie Jesus diese Frage direkt an Sie richten! Tragen Sie Ihren Vornamen als Anrede ein! Denken Sie still darüber nach, was Ihnen Jesus Christus wirklich bedeutet! Von Ostern an können wir ihn unseren Freund nennen, ganz persönlich. Er ist die Freundschaftsseite von Gottes unsichtbarem Wesen. In Jesus ist der ferne Gott mir als Mensch ganz nahe geworden. Freundschaft mit Jesus ist also kein Hobby an der Peripherie, sie ist das Zentrum.
Aber kennen wir das auch? Dass solch eine persönliche Beziehung vertrocknet? Kennen wir das in unserer Kirche? Die Kirchensteuer klappt, die neuen Lieder sind brauchbar und die Lokalpresse berichtet freundlich. So könnte es weitergehen. Aber in mir wächst das berühmte Gefühl: das kann doch nicht alles sein? Es muss doch mehr geben?
Ich muss an dieser Stelle etwas erzählen: Ich fahre in Fulda gemächlich von einer roten Ampel 100 m weiter zur nächsten und schalte das Autoradio ein. Da demonstriert in Freiburg eine Gruppe junger Muslime gegen Karikaturen über Mohammed. Eine deutsche Muslima, vermutlich eine ehemalige Christin, wird interviewt. Ich schnappe ihre Entrüstung auf: „Wir protestieren, wie unser geliebter Prophet Mohammed beleidigt wird!“ „Geliebter Prophet Mohammed“ – immer wieder murmele ich diese Worte vor mich hin. Die Frau sprach es klar und entrüstet aus, ohne „ich sag mal so“ und ohne „wenn ich das mal ein Stückweit so sagen darf“! Und ich versuche, etwas Christliches zu formulieren: „Wir bekennen uns zu unserem geliebten Herrn Jesus Christus!“ Wo sind die jungen Christen, die dies fröhlich ins Mikrofon sagen?
Da fragt Jesus den Petrus ein drittes Mal. Wörtlich klingt es wie: „Simon, sind wir noch Freunde?“ Im Moment mag Petrus gedacht haben: „Was hat er denn bloß wieder? Hat er noch Probleme wegen der Magd, die immer wieder nervte?“
Aber nun dämmert es Petrus: „Dreimal fragte mich der Herr, ob ich ihn lieb habe. Dreimal haben das Gesindel von der Wache und diese Magd gefragt, ob ich ein Jünger von Jesus bin. Und dreimal habe ich es geleugnet. Ja, ich habe ihn verleugnet! Ich dachte, wegen der blöden Magd werde ich doch nicht zum Märtyrer!“ Jesus hatte sich noch umgedreht und Petrus hatte weinen müssen. Und er weint wieder bittere Tränen, als Jesus jetzt dreimal nach Lieben und Freundschaft fragt. Und ich denke an die muslimische Studentin und ihren geliebten Profeten Mohammed und an meinen Herrn Jesus Christus. Und nun weine auch ich im Auto…
Ich fasse mich wieder: Jesus fragt Petrus nicht nur dreimal, er betraut ihn ebenso oft mit der Achtsamkeit auf die Gemeinde: „Weide meine Schafe!“ Ich frage mich, was ich denn gemacht hätte, wenn mein engster Mitarbeiter mich dreimal verraten und im Stich gelassen hätte. Ich erwäge, was in Jesus vorging: Er hätte Petrus böse zusammenfalten können: „Ja, jetzt bist du zerknirscht, aber sonst immer Number one, doch als es darauf ankam, versagtest du. Auf dich ist kein Verlass! Der Zug ist abgefahren.“ Dann wäre die Krise der Freundschaft zum Beginn ihres Endes geworden.
Andererseits hätte er Petrus locker liberal vereinnahmen können: „Schwamm drüber, alter Junge! Das hätte mir auch passieren können. Man ist manchmal nicht so super steil zum Bekennen drauf!“ Dann wäre die Freundschaft an Oberflächlichkeit versandet.
Beides macht Jesus nicht! Jesus betreibt – im heutigen Jargon – eine heilende, seelsorgerliche Aufarbeitung. Jesus erspart dem Petrus nicht seine Tränen, er ist ja ganz tief abgestürzt. Aber bevor Petrus verzweifeln könnte, betraut Jesus ihn mit einem vertrauensvollen Auftrag. Vertrauen heilt. Die dritte Frage an Petrus klang auf Griechisch zunächst nach „Simon, sind wir noch Freunde?“ Inzwischen klingt sie anders: „Wollen wir wieder Freundschaft schließen?“ Das ist heilsam und heilend.
Immer wieder geht mir die Sehnsucht des Petrus nach „mehr“ durch den Sinn: Sind wir ihr gerecht geworden? Einmal sagte Jesus über eine Person: „Ihr müssen viele Sünden vergeben worden sein, denn sie hat so viel Liebe gezeigt. Wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.“ Die vielen Tränen des Petrus waren eine Traurigkeit zum Heil.
Gott sei Dank! haben wir die Bibel. Ich bekomme Freude an dieser Therapie Jesu. So ist Jesus. So ist Gott durch Jesus. Er ist die uns zugewandte Freundschaftsseite von Gottes unsichtbarem Wesen.
Ich bin stolz darauf, einen solchen Herrn zu haben und Christ sein zu dürfen.
Und ich freue mich auf den Bibelkursus.
Amen.