Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dessen Geist uns zusammenführt, sei mit euch allen!
15 Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.
16 Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit:
17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.
18 Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch.
19 Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.
Liebe Gemeinde!
1. Der Theologe sagt: Der heilige Geist ist der Freak innerhalb der Dreieinigkeit
Als ich mich in der vergangenen Woche mit einem befreundeten Pfarrer über den eben vorgelesenen Predigttext austauschte, war sein Fazit ernüchternd: „Das kann man doch nicht predigen! Das versteht doch niemand! Vielleicht ein paar Theologen oder religiös übermäßig Interessierte!“
Er habe ein paar Tauffamilien am Sonntag da und da könne man doch nichts vom Heiligen Geist erzählen, der hier etwas seltsam anmutend als „Tröster“ geschildert wird. Der heilige Geist, so der sehr gelehrte Theologe weiter, sei doch für die meisten Menschen so etwas wie der „Clown“ oder der „Freak“ innerhalb der Heiligen Dreifaltigkeit.
Auch wenn ich über seine harten Worte überrascht war, habe ich ihm doch ein wenig recht geben müssen. Der heilige Geist scheint ein Schattendasein in unseren Kirchen zu führen. Und wenn Pfarrerinnen und Pfarrer von ihm zu reden beginnen, dann oftmals so, dass man hinterher auch nichts Neues erfahren hat. (Schauen wir mal, wie das hier nun ist…!)
Von Jesus reden: Ja, das ist einfach, da haben wir Geschichten und zum Teil sogar konkrete Geschichte. Da können wir Wundererzählungen ausdeuten, können seine Gleichnisse analysieren, können darüber nachdenken, was seine Auferstehung für uns bedeutet und was es für das Abendmahl bedeutet, dass auch Judas Iskariot mit am Tisch saß. Und die meisten Gottesdienste stellen dann ja auch tatsächlich Jesus in den Mittelpunkt.
Von Gott dem Vater reden: Auch das ist noch irgendwie möglich, da haben wir das, was uns Jesus von ihm berichtet – und wir haben das gewaltige Sammelsurium der Gottesvorstellungen des Alten Testamentes, die uns Gott den Schöpfer, Gott den Erhalter, Gott den Rächer, Gott den Barmherzigen und was es da sonst noch an Aussagen gibt, begreiflich machen.
Heute aber: Gott der heilige Geist.
Der Freak unter der Heiligen Dreieinigkeit, der nur zugänglich ist über Umwege, und den es „ganz konkret“ einfach auch gar nicht „gibt“. Wir wollen es also heute morgen mal mit ihm aufnehmen – und das, gerade weil eine Tauffamilie hier bei uns ist, die vielleicht dadurch einen neuartigen Zugang zu diesem Aspekt Gottes gewinnen kann. Denn: Den Segen Gottes bei der Taufe habt ihr eben auch nicht sehen können. Wasser ist geflossen, ein Versprechen wurde gegeben – dass die Liebe das höchste sei – aber alles ist unbewiesen und steht erst einmal im Raum. Es wird sich wohl erst noch im weiteren Leben erweisen müssen, inwieweit Gott mit der kleinen A-M ist und was ihr die Taufe bedeutet.
Jesus sagt: „Ich werde den Vater bitten und er sendet euch einen anderen Tröster.“
Besser übersetzt: Er sendet euch einen anderen Beistand, nämlich eben diesen Heiligen Geist, der meinem Kollegen und Freund so suspekt ist.
Dabei ist doch alles ganz einfach: Nachdem Jesus von den Toten auferstand, wurde er immer wieder von seinen Jüngern gesehen; teilweise in sehr privatem, kleinen Rahmen, etwa bei der Emmaus-Erzählung oder derjenigen von Maria aus Magdala; teilweise aber auch vor größeren Menschengruppen, etwa einem erweiterten Jünger- und Freundeskreis, schließlich von einer ganzen Menschenmenge mit über 500 Personen auf einmal. Nach 40 Tagen war der Zauber dieser erstaunlichen Begegnungen mit dem Auferstandenen dann vorbei. Jesus wurde entrückt zu seinem Vater in den Himmel, wie es Lukas im Evangelium und der Apostelgeschichte berichtet. Das haben wir am letzten Donnerstag, an Christi Himmelfahrt, gefeiert.
Problematisch wäre es für das Überleben des Christentums gewesen, wenn es das dann gewesen wäre.
Jesus kommt zu Erde.
Macht da einigen Wirbel.
Stirbt, steht von den Toten auf.
Und ist dann weg.
Dass es so eben nicht gekommen ist, zeigt unser heutiger Predigttext. Jesus steigt in den Himmel auf. Das bedeutet: Er befindet sich von da an in der Allgegenwart Gottes und eben nicht länger nur in der Gegenwart einiger weniger Auserwählter, und wenn es 500 auf einmal sind.
Allgegenwart bedeutet: Er ist überall gegenwärtig. Jetzt gerade hier. Mitten unter und in uns. Als Herrscher des Alls ist er jedem einzelnen dennoch ganz nah.
Denn, wie Jesus dann ja auch sagt: „Ich lasse euch nicht als Waisen zurück.“ Ihr habt mich immer bei euch, was immer ihr auch tut.
Er ist damit aber nicht länger so konkret unter den Menschen, wie er es vor seiner Kreuzigung und Auferstehung war. Wir können ihn nicht sehen. Manche meinen ihn fühlen und erspüren zu können. Er ist da als Heiliger Geist, als Geist der Wahrheit und als ein Beistand für jeden getauften Menschen.
Wer das begriffen hat, diesen Dreischritt: Jesus geht zu Gott. Jesus wird Gott gleich, etwa in seiner Allgegenwart. Jesus ist damit als Heiliger Geist unter uns,
…der hat vom Wesen des Christentums bereits enorm viel verstanden!
Und dann können wir auch meinen theologischen Freund in die Schranken weisen, der den Heiligen Geist als Freak oder Clown meinte bezeichnen zu müssen, weil das ja alles so arg kompliziert mit ihm sei.
2. Der Physiker sagt: Der heilige Geist ist nicht möglich, da er nicht zur Welt dazugehört
Ich habe allerdings noch einen anderen Freund. Der hat eine sehr materialistische Weltsicht. Der hat einmal Physik studiert. Und der sagt ganz deutlich: Man kann diesen Heiligen Geist nicht messen. Also kann es deinen Heiligen Geist auch nicht geben. Denn: Wenn der tatsächlich in dieser Welt wirkt, dann müsste man auch auf ihn messbar und belegbar schließen können. Das können wir nicht. Also ist dein Heiliger Geist eine Illusion, auf die du reinfällst.
Es ist ganz witzig, dass es Jesus Christus selber ist, der eben gerade das bereits vorwegnimmt. Er sagt: Ich sende euch
den „Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht.“
Jesus selber geht ganz selbstverständlich davon aus, dass die „Welt“ diesen Geist nicht empfangen kann, weil sie ihn weder sehen noch kennen kann. Was Jesus hier tut ist nichts weiter, als allen Streit um die Existenz Gottes endgültig beizulegen: Wer allein zur Welt gehört, also ganz und gar in einer rein physikalisch-materialistischen Weltanschauung gefangen ist, hat nicht einmal die Chance, etwas von diesem Geist wahrzunehmen. Derjenige kann nur sagen: Es ist kein Gott, da es ihm unmöglich ist, Gott wahrzunehmen. Oder dann leider diejenigen, die daran glauben bzw. ihn durchaus wahrnehmen können, als Freaks oder Clowns zu bezeichnen, wie es zur Zeit in der neuen und höchst aggressiven Atheismus-Debatte der Fall ist.
Der Atheist, also der Ungläubige, hat nicht den Hauch einer Chance, Gott näher zu kommen, wenn Gott selber es nicht will.
Ungerecht? Kann schon sein, darüber steht mir ein Urteil nicht zu. Doch das was Jesus sagt, geht ja noch weiter:
„Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.“
Waren mit der Welt und dem Unvermögen, Gott zu erkennen, all diejenigen gemeint, deren Weltanschauung auf rein innerweltliche Vorgänge gerichtet ist, dreht es sich jetzt darum, dass Christinnen und Christen diesen Geist nur zu gut kennen. Der ist nämlich mitten in und unter euch – jenseits aller Messinstrumente! Und doch keine Illusion, sondern eine Erscheinungsform Gottes, an deren Wahrhaftigkeit keiner zweifelt, der sie bereits erlebt hat.
3. Der Mönch sagt: Nur mit dem heiligen Geist hat eine Kirchengemeinde eine Chance
Dazu will ich eine letzte Person heranziehen, die ich auf dem Kirchentag in Hamburg getroffen habe. Es trat bei einer Veranstaltung über die weitere Entwicklung unserer evangelischen Kirche ein kleiner Mönch auf.
Die Veranstaltung war davon geprägt, dass verschiedene Professoren und Kirchenoberhäupter (einer miesepetriger als der andere) mit Zahlen, Statistiken und Stirnrunzeln die Entwicklung unserer Kirche derart schwarzmalten, dass ich mich fragte, ob ich vielleicht auf einem anderen Planeten lebe oder auch einer anderen Kirche angehöre.
Ganz unscheinbar stand auf einmal ein kleiner Mann in seiner Kutte da, der als Gesprächspartner eingeladen war. Mein erste Gedanke: Was hat der denn nun noch beizutragen? Will der vielleicht aus katholischer Sicht die evangelische Kirche schlechtmachen?
Der fing an zu reden. Und da konnte man begreifen: dieser Mann hatte das mit Himmelfahrt, mit Jesus, mit dem Heiligen Geist und dem Beistand für Christen vollends verstanden. Das was er sagte war, dass jeder das Vertrauen haben darf, dass der Heilige Geist das eigene Leben berührt. In uns selbst wirkt gerade jetzt der Heilige Geist. Die Begeisterung, die ein solches Leben in sich trägt, trat bei diesem Mönch von ganz allein nach außen.
Der Mann war kein begnadeter Redner, sondern hat in einfachsten Worten geschildert, was er in seinem täglichen Leben erlebt. Dass es darum geht, dem Wirken Gottes – des Heiligen Geistes! – im eigenen Leben nachzuspüren, sich darauf einzulassen.
Etwa: Die Menschen, denen wir den Tag über begegnen, sollen uns als von Gott geschickt vorstellen. Egal, wen wir treffen, wir gehen zunächst einmal davon aus, dass es Gottes Wille ist, dass wir gerade auf diesen Menschen treffen. (Hinterher kann man seine Meinung ja immer noch korrigieren!)
Denn wir Christinnen und Christen sind ja nicht allein „von dieser Welt“, sondern haben eben auch Anteil an der Ewigkeit Gottes, die kein Messgerät jemals aufzeichnen kann.
Anders gesagt: Ihr, die ihr hier heute Morgen seid, dürft euch getragen und umarmt fühlen von diesem Beistand, den Jesus vor nunmehr 2000 Jahren seinen Jüngern angekündigt hat. Der entzündet die Herzen. Von jedem noch so kleinen Menschen. Wie etwa unserem Täufling. Und er ist doch derselbe, der der Herrscher des Alls ist. Keine Witzfigur für irgendwelche Frömmler. Und auch keine Illusion irgendwelcher Spinner.
Sondern die ganze geballte Kraft Gottes in der Liebe zu seinen Menschen. Gestern. Heute. Und in Ewigkeit.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Bruder und Herrn. Amen.