Pfingstpredigt 2011 – Vom Heiligen Geist

Predigt zu Joh 16,5-15

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

1.   Einleitung: Der heilige Geist ist kein Mauerblümchen!

Liebe Gemeinde,

Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Von den drei Erscheinungsformen Gottes, also als Vater, Sohn und Heiliger Geist, führt letzterer irgendwie ein Schattendasein.

Der heilige Geist ist für manche ein wenig wie das Mauerblümchen der Trinität.


Gott den Vaterkönnen wir uns zwar nicht wirklich vorstellen, aber wir können ihm doch einige Eigenschaften zuordnen:

Als Schöpfer, als Allmächtiger oder als Allwissendender begegnet er uns in der Bibel. Von seinen dunklen Seiten können wir durch die Schrecken in unserer Welt Vermutungen anstellen.

Und dadurch, dass Jesus ihn seinen Vater nennt, haben wir sogar eine Beziehung zu ihm – wenn auch indirekt.

Gott den Sohnkönnen wir wohl am leichtesten fassen: Ist damit doch Jesus Christus selbst gemeint, der in den Evangelien und den Briefen, ja im Neuen Testament, offenbart ist.

Dass von ihm die Vergebung der Sünden kommt durch seinen Kreuzestod, dass er die Taufe eingesetzt hat, als Zeichen für Gottes unendliche Treue, und das Abendmahl für die Gemeinschaft von Gott und Mensch – das alles dürfen wir getrost auf sein Wort hin glauben. Auch dass das innere Wesen Gottes Gnade und Barmherzigkeit ist, dass Gott die Liebe ist, wissen wir durch Gott den Sohn.

Doch von Gott dem heiligen Geist haben wir nur unsichere Kenntnis. Geister sind in der heutigen Zeit eher unmodern. Der menschliche Geist ist zusammengesetzt aus einem gewaltigen neuronalen Netzwerk unseres Körpers. Geister in Schlössern gehören einer romantischen Epoche an.

Und von einem Kollegen wird der heilige Geist immer nur dann angeführt, wenn er faul war oder keine Zeit für seine Predigt hatte. Der müsse das dann eben richten, der heilige Geist. 

Der Predigttext für den heutigen Sonntag zeigt uns einen Aspekt des Heiligen Geistes, wie er in der frühen Kirche, in der Gemeinde des Evangelisten Johannes erlebt und vorgestellt wurde.

Als Tröster wird er da beschrieben. Und als „Geist der Wahrheit“. Und als einer, der untrennbar mit Jesus und Gott dem Vater verbunden ist.

PREDIGTTEXT

Hören wir die Worte Jesu über den Geist, wie sie der Evangelist Johannes im 16. Kapitel überliefert hat:

Das Werk des heiligen Geistes

5 Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin?

6 Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer.

7 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, daß ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.

8 Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht;

9 über die Sünde: daß sie nicht an mich glauben;

10 über die Gerechtigkeit: daß ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht;

11 über das Gericht: daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist.

12 Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen.

13 Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.

14 Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen.

15 Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er wird’s von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.

2.   Auslegung ekklesiologisch

Alles andere als ein Mauerblümchendasein fristet der Heilige Geist in der Gemeinde des Johannes. Er kommt, weil Jesus nach der Auferstehung zum Vater geht.

Und weil das nur gerecht sei, damit alle Welt Gott in Form des heiligen Geistes haben kann, nicht nur die überschaubare Zahl der Jünger in der Erscheinung des Auferstandenen.

Alle Welt: Das heißt: Alle, die den heiligen Geist empfangen haben. Alle getauften Christen!

Und alle Christen zusammen machen die eine heilige und apostolische Kirche aus, die weltumspannend und allgemein ist.

Ihr vier, die ihr euch heute Morgen habt taufen lassen, gehört nun zur Kirche Jesu Christi mit dazu. Ihr seid nun ebenfalls angehaucht vom Heiligen Geist Gottes.

Er ist es, der die Kirche macht und uns im Gebet, in der Predigt, beim Abendmahl, während der Taufe, begleitet.

Dabei dürfen wir nicht vergessen:

Er ist auch unverfügbar. Wir müssen nichts spüren, wenn er da ist. Es brauchen nicht die großen emotionalen Momente sein. Der Heilige Geist kann auch ganz nüchtern daherkommen, eben als Geist der Wahrheit, der lehrt und lenkt.

Oder wie Luther im dritten Artikel zum Glaubensbekenntnis sagt:

„Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.“

Der Heilige Geist ist es, der uns erst den Glauben an Christus plausibel macht. Aus reiner Vernunft kommen wir doch nicht auf die Idee, an einen gekreuzigten Mann zu glauben, der dann angeblich von den Toten auferstanden ist! Zu diesem Glauben kommen wir nur mit Hilfe des Heiligen Geistes!

Und so ist zwar das Wirken des Geistes für uns nicht verfügbar, wir können  ihn uns nie und nimmer verfügbar machen, aber:

(Und das ist eine wahre Ungeheuerlichkeit!):

Überall da, wo auch nur ein wenig Glauben herrscht, da ist der Heilige Geist am Wirken. Das darf man ruhig minimalistisch sehen!

Da können und sollten wir uns dran erfreuen!

Unser kleiner Glaube, der jetzt gerade in uns ist: Ein Werk des Heiligen Geistes!

Die Entscheidung, sich hier und heute taufen zu lassen: Ein Werk des Heiligen Geistes.

Ich kann nun nicht sehen, was in Euren Herzen vorgeht, ob ihr glaubt oder auch nicht. Diejenigen aber, die an den dreieinigen Gott glauben: Die können jetzt tatsächlich mal für einen Moment innehalten und sich klarmachen: Dieser Glaube ist gewirkt von dem Heiligen Geist, der beim ersten Pfingstwunder in Jerusalem die Apostel auf die Straßen getrieben hat.

Euer Glaube wird unmittelbar von Gott gewirkt. Jetzt. In diesem Augenblick ist er in euch und um euch.

PAUSE

3.   Gedanken zum Geist, der in der Kirche weht 

Der Heilige Geist wirkt in Euch den Glauben. Alle Gläubigen zusammengenommen bilden die Kirche.

So ist die Kirche also auch ein Werk des Heiligen Geistes.

Aber die sichtbare Kirche hält so manche Ärgernisse bereit, die alles andere als geistgewirkt erscheinen.

Über vieles kann man sich aufregen. Man muss gar nicht an Kreuzzüge und Hexenverbrennungen denken, wenn man an seiner Kirche Dinge kritisieren will.

Und was dem einen an der Kirche gerade recht ist, das ist dem anderen gar nicht billig.

Meinungsverschiedenheiten, Eifersüchteleien, Heuchelei – all das sind schlimme Erfahrungen, die man durchaus mit den sichtbaren Kirchen machen kann.

Welcher Geist weht in der Kirche?

Ist es der Heilige Geist?

Ist es der Geist der Wahrheit?

Ist es der Tröster-Geist, von dem der heutige Predigttext zu uns spricht?

4.   Auf dem Kirchentag mit der Bonhoeffergemeinde

Es ist naheliegend, auf Ereignisse zu schauen, die mit der Kirche in Zusammenhang gebracht werden.

Es bietet sich geradezu an, das evangelische Großereignis dieses Jahres einmal mit dieser Frage zu betrachten: Den Evangelischen Kirchentag 2011 in Dresden.

Vergangene Woche war ich da – mit einem überschaubaren Teil der Bonhoeffergemeinde und einer Gruppe von Jugendlichen der Kirchenkreise Fulda, Schlüchtern und Gelnhausen sind wir dorthin gefahren. In einer Schule in Meißen 30 km vor Dresden hatten wir unser Quartier in einem Klassenzimmer.

Einige von euch waren unabhängig von mir da, und viele werden das Ereignis live im Fernsehen oder zumindest durch die Nachrichten verfolgt haben.

Was für ein Geist herrscht auf einem Kirchentag?

Drei Szenen, die für mich sehr charakteristisch waren:

Szene 1: Im Zelt schwitzen etwa 40 Menschen, die sich auf kleinen Kniebänken niedergelassen haben. Ich bin allein unterwegs, bin müde vom Laufen und von der heißen Mittagssonne. Die Menschen auf den Kniebänken schweigen, ich versuche möglichst leise einen Platz zu bekommen.

Ich beobachte. Die meisten Menschen haben die Augen zu. Einige schauen glücklich, andere ernst. Ich schließe ebenfalls die Augen, mehr aus Müdigkeit als aus Glaubensinteresse.

Plötzlich fängt einer an zu singen. Einfache Weisen aus Taizé erfüllen das Zelt. Mehr und mehr fallen in die Melodie ein. Auch ich singe nun mit. Fühle mich seltsam entspannt.

Als die Andacht vorüber ist, verlasse ich das Zelt wieder. Diese Pause hat einfach gut getan.

Szene 2:

Dick gepanzert stehen an der Semperoper zwei Polizistinnen. Sie sind schwer bewaffnet, Polizeistock und Pistole sind gut sichtbar. Es hat sich um sie herum eine kleine Menschenmenge gebildet. Geduldig und mit dem typischen dresdner Einschlag weisen sie den Kirchentagsbesuchern den Weg. Wo ist die Neustadt, gibt es in der Nähe öffentliche Toiletten, wie kommen wir am schnellsten zu Margot Kässmann usw.

Auch ich habe mich angestellt, um den Weg zum Bahnhof zu erfragen.

Dick gepanzert und doch so, als wären sie einfach nur Ortskundige, gehen sie mit uns um.

Obwohl zeitweise 300.000 Menschen gleichzeitig den Kirchentag besuchten, brauchten sie weder Polizeistock noch Rüstung.

Szene 3:

In Halle 3 auf dem Messegelände wird gestritten. Applaus, empörte Zwischenrufe und Gelächter wechseln sich ab.

Zwei Theologinnen ringen mit einem Kulturphilosophen darum, was die Kirche ausmacht und welche Kirche wir heute brauchen.

Die eine Theologin ist Professorin für feministische Theologie. Sie kann mit Gottesdiensten nichts mehr anfangen. Ihr reicht es, in der „Bibel für gerechte Sprache“ zu lesen und einmal im Jahr im Frauenbildungszentrum mit lieben Menschen aus aller Welt gemeinsam zu Abend zu essen.

Der anderen Theologin reicht das nicht. Sie will, dass sich Kirche für Weltfrieden und Solidarität mit den Armen einsetzt. Und Gottesdienste sollten sich mehr daran orientieren, was die Menschen gerade jetzt brauchen, dass man sich im Kirchenraum wohlfühlt.

Sie erntet viel Applaus.

Der junge Kulturphilosoph blickt die beiden ein wenig frostig an. „Predigt und Gottesdienst“, sagt er immer wieder. „Wir brauchen Gottesdienste und Predigten, die die Menschen herausfordern. Ich will nicht abgeholt werden, ich will mit Gott konfrontiert werden. Das soll sich nicht an meinem Bedürfnis, sondern muss sich an der Wahrheit des Evangeliums orientieren.“

Er erntet das meiste Gelächter. Ich applaudiere, dass mir die Hände schmerzen.

Ein buntes Bild, das diese drei Szenen ergeben. Ein Bild, das uns auch etwas über die Vielfalt des Heiligen Geistes sagt.

Wo er da genau gewirkt hat, das kann niemand mit endgültiger Gewissheit sagen…

Die innere Frömmigkeit beim Meditationsgottesdienst auf den Kniebänken hat mir für einen Moment die Ruhe gebracht, die ich brauchte.

Die große Friedfertigkeit von 300.000 Menschen hat mir gezeigt, dass der Geist, der all diese Menschen verbindet, Panzer und Schlagstöcke überwindet.

Und der Streit der Menschen um die richtige Kirche gab mir mit auf den Weg, dass unser evangelische Glaube wirklich bunt und verschiedenartig ist, aber dass diese Unterschiede auch in Ordnung sind.

Denn: Wenn da Glaube ist, dann ist da auch der Heilige Geist.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.