Konfirmationspredigt am Pfingstsonntag 2014: Die Gemeinschaft des Rings (1. Tim 6,12-16)

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, der von den Toten auferstanden ist, sei mit euch allen!

Der Predigttext für den heutigen Konfirmationssonntag steht im 1 Tim 6,12-16

12 Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.
13 Ich gebiete dir vor Gott, der alle Dinge lebendig macht, und vor Christus Jesus, der unter Pontius Pilatus bezeugt hat das gute Bekenntnis,
14 dass du das Gebot unbefleckt, untadelig haltest bis zur Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus,
15 welche uns zeigen wird zu seiner Zeit der Selige und allein Gewaltige, der König aller Könige und Herr aller Herren,
16 der allein Unsterblichkeit hat, der da wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann, den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann. Dem sei Ehre und ewige Macht! Amen.



Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht,
Sieben den Zwergenherrschern in ihren Hallen aus Stein,
Den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen, neun,
Einer dem Dunklen Herrn auf dunklem Thron
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.
Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden,
Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn!“

Liebe Konfirmanden, liebe Gemeinde,

Als ein großer „Herr der Ringe“-Fan oute ich mich gern. Als ich konfirmiert wurde, da jagten mir diese Verse das erste Mal einen Schauer über den Rücken – und jetzt gerade, ich bekenne es, tun sie es wieder. Unzählige Male habe ich die Bücher gelesen, unzählige Male die Filme gesehen – in normal- und in Langfassung, auf Deutsch, auf Englisch, und einmal als Hörbuch angehört.

Der große Kampf des Guten gegen das Böse ist das umfassende Thema des „Großen Ringkrieges“ im Werk von Tolkien. Der böse Herrscher Sauron soll aufgehalten werden, ja vernichtet werden, und das kann nur dadurch geschehen, dass der eine, große Meisterring im Schicksalsberg, einem feuerspeienden Vulkan mitten im finsteren Lande Mordor, eingeschmolzen wird. All die Helden: die Guten wie die Bösen, sind – gerade in den Filmen – notwendig für dieses fulminante Epos.

Da sind die beiden Zauberer Gandalf und Saruman; der eine ein liebevoller Pfeife rauchender Großvatertyp, der seine Kräfte und vor allem seine Weisheit für die Seite des Guten verwendet; der andere, geblendet von der Macht des Bösen, schwört dem dunklen Herrscher die Treue.  Da sind der Waldläufer Aragorn, der der spätere König ist, die Reiter von Rohan, Zwerge und Elfen; Boromir, der den Verlockungen der Macht des Ringes verfällt und dafür mit dem Leben bezahlt. Und, weniger großartig, nichtsdestoweniger relevant, das Geschöpf Gollum, das durch die Einflüsterungen des Ringes wahnsinnig wurde und ein erbärmliches, aber unsterbliches Leben fristet.

Diese Helden alle bilden eine bildgewaltige Kulisse. Aber eben: Nur Kulisse!
Denn: die entscheidende Geschichte handelt von zwei unscheinbaren kleinen Wesen, die dem Volk der Halblinge, den Hobbits angehören. Hobbits leben zurückgezogen im friedlich-lieblichen Auenland, sind ständig auf der Suche nach dem nächsten Umtrunk oder der nächsten stattlichen Mahlzeit, Festen und Feiern nicht abgeneigt – aber große Helden sind sie eigentlich nicht.
Denn, und das ist eine wichtige Pointe im tolkienschen Werk, sie streben nach nichts sog. „Höherem“. Sie wollen gern ein bescheidenes Leben führen, und als einer der Hobbits, Sam, für kurze Zeit den Ring aufsetzt und ihm dieser zuflüstert, er könne der mächtigste und großartigste Gärtner des Auenlandes werden, da zieht er ihn nur kopfschüttelnd wieder vom Finger ab.
Größter Gärtner! Was für ein Unsinn. Das ist er doch längst. Und andere Verlockungen der Macht sind den Hobbits völlig fremd. Das Schöne, das Angenehme, das einfache, zufriedene Leben: das ist es, was ein Hobbit anstrebt. Und das ist nicht wenig! Aber es ist nichts, was der magische Ring ihm bieten könnte.

Eine Gemeinschaft ist es gewesen, die sich vom Rat des Halbelben Elrond in Bruchtal aufgemacht hatte. Eine Gemeinschaft von sehr unterschiedlichen Personen. Ein störrischer Zwerg; ein weitsichtiger Elb; ein weiser Zauberer; ein sehr stolzer und ein sehr demütiger Mensch; und vier lebenslustige Hobbits, die vom Leben einfach nur das Beste erwarten.
Das war eine Gemeinschaft von neun, die beim Übergang eines Flusses, an den Rauros-Fällen, an ihr Ende ging, ja zerbrach.

Ihr 10 Konfis, ihr steht nun auch vor einem solchen Übergang: vor eurer Konfirmation. Und eure Gemeinschaft ist jetzt, auf dem Höhepunkt, auch am zerbrechen. Ja ist bereits zerbrochen, denn die Konfirmandenzeit ist jetzt vorüber. Ein Jahr habt ihr miteinander und mit mir ausgehalten. Manch einer vielleicht auch tapfer durchgehalten.

Eine Gemeinschaft um ein Thema seid ihr gewesen. Nicht die Gemeinschaft des Ringes, die gegen die dunklen Mächte angetreten ist, sondern eine Gemeinschaft, die, wie es der Predigttext benennt, den guten Kampf des Glaubens kämpft. Nachgeholten Taufunterricht hat man das damals genannt. Denn ein Kampf ist es stets, wenn man sich ernsthaft damit auseinander setzt, was man in unserer Welt überhaupt (noch) glauben kann und darf.

Immer wieder haben wir uns von den verschiedensten Seiten Gott genähert. Und mussten immer wieder feststellen: Ganz greifbar ist er nicht. Gott ist uns trotz aller Offenbarung ganz schön entzogen.
Wir haben gemeinsam biblische Texte gelesen, haben damit die Grundlage kennengelernt. Haben Lieder im Gesangbuch angeschaut, um zu erfahren, was und wie die Menschen vor uns geglaubt haben. So habt ihr einen Teil der Tradition kennengelernt.

Haben Exkursionen gemacht, auf den Friedhof, um zu gucken, was die letzten Schritte am Ende sind und haben uns damit über Bestattungskultur ein wenig schlauer gemacht. Waren im Schwimmbad, um das Element Wasser für die Taufe kennenzulernen. Unterwegs mit dem Fahrrad, um zu schauen, wie man in Gottes freier Natur beten kann. Organisierte Nächstenliebe haben wir uns anhand unseres Seniorenkreises angeschaut und so in Erfahrung gebracht, was für hohe ethisch-moralische Anforderungen das Christentum an uns stellt.

Die Gemeinschaft erlebte zweifellos ihren Höhepunkt auf den beiden Konferfreizeiten, in jeder Hinsicht: Bei der Disko genauso wie bei der Feier des Heiligen Abendmahls, oder als wir rituell unsere Sünden verbrannt haben.

Und bei all dem habe ich euch hoffentlich vermitteln können: Zu glauben ist ein Kampf. Ein Kampf um die Wahrheit, ein Kampf um Worte, ein Kampf um das Ewige. Ein Kampf derer, die dem Glauben absagen. Ein Kampf mit sich selbst. Denn: je nachdem, wie man sich postiert, hat man unterschiedliche Blickwinkel auf das Leben!

Etwa so:

Angenommen „Gott existiert.“

Das heißt nicht weniger als: Das ganze Universum hat eine andere Bedeutung – nämlich eine von diesem Gott her. Umgekehrt hat die andere Überzeugung ebenfalls gewaltige Konsequenzen:
Angenommen Gott existiere nicht: Dadurch verlöre das Universum letzten Endes jede Bedeutung.Ja sogar das Leben von uns Menschen wäre völlig sinnfrei, sinnlos. Und damit auch das eigene Leben.

Und diese Überzeugungen gilt es im Leben auszubauen und weiter zu entwickeln. Den Kampf des Glaubens weiterzuführen. Und das kann man auf die eine oder andere Weise tun:
Verglichen mit den Helden aus dem Herrn der Ringe kann man sich verschiedenen Richtungen zuordnen: Da kann man gleichgültig sein und das Leben an sich vorbeiziehen lassen, wie es die meisten Menschen und Hobbits tun. Ich bin mir sicher, auch einige von euch werden das so machen, sowie ihr aus diesem Gottesdienst nach draußen zieht. Aber aufgefordert seid ihr dazu, „das ewige Leben zu ergreifen“, wozu ihr berufen seid.
Wenn man das will, dann kann man sich in das Nachdenken und Nachforschen über die größte Geschichte der Menschheit begeben, die mit Gott und seinen Menschen, und sich damit wie Gandalf dem guten Kampf des Glaubens widmen. Am Ende seines Lebens wird man dann vielleicht weise sein und mehr von dem verstehen, was kaum zu begreifen ist.
Oder man wird, und ich hoffe sehr, dass keinem von euch das passiert, eine Gestalt wie Boromir, der vom Glauben an die Macht des Ringes, völlig fanatisiert ein schlimmes Ende gefunden hat. Auch solche in die Irre gegangenen Christen gibt es, die den Glauben mit einer Ideologie verwechseln, und blindlings tun, was dieser angeblich vorschreibt. Damals die Kreuzritter und heute christliche Fanatiker, wie sie vermehrt aus Amerika auch nach Deutschland kommen.
Und dann gibt es die Realisten wie Aragorn oder Gimli und Legolas: Sie wissen, was zu tun ist; sie wissen, dass sie den Kampf nur gewinnen können, wenn sie zusammenstehen, zusammenhalten und ihre eigene Sache hoch halten.

All das sind Haltungen im Kampf um die Wahrheit, wie ihr sie einnehmen könntet. Könntet, denn nicht jeder von euch ist gleichgültig, nicht jeder von euch hat weise alte Männer (oder Frauen!) zum Vorbild, nicht jeder jetzt schon das Wissen, was alles zu tun ist. Es gibt aber dann noch eine letzte, eine ganz leise, aber unglaublich mächtige Zugangsweise, den Kampf des Glaubens zu führen:

Das sind diejenigen, die weiterhin nach links und rechts schauen, die keine großen Pläne vor Augen haben wie die Helden, sondern die sich in die Welt gestellt wissen als welche, die ihre Aufgabe zu erfüllen haben, wenn das auch nicht immer leicht ist: Die beiden Hobbits Sam und Frodo stehen für diese Haltung; und auf den christlichen Glauben übertragen bedeuten sie: der Kampf des Glaubens, den die beiden kämpfen, kann man auch erledigen, indem man einfach als Vorbild lebt. Dazu bedarf es keiner großen Reden, dazu bedarf es keiner großen Kräfte. Sondern nur den guten Willen und die daraus folgende Tat. Auf den christlichen Glauben übertragen heißt das nichts weiter als: 
Etwa heute zur Konfirmation, wie es im Predigttext heißt, „das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen“ abzulegen; und ansonsten im täglichen Leben davon Zeugnis zu geben: Also Christus in die Welt zu tragen, indem man sich so verhält wie einer, der das Ewige Leben bereits hat. Frei, hoffnungsvoll, lebensfroh, gläubig. Mit den Lachenden lachen und mit den Weinenden weinen.  
Und wenn man dann auch noch verstanden hat, dass die zerbrochene Gemeinschaft der Konferzeit einmündet in eine viel gewaltigere, größere Gemeinschaft, nämlich die der Gläubigen, der Kirche, dann versteht man: dieses heutige Ende kann einen Neuanfang bedeuten, zu dem Gott selbst euch einlädt.

Die Gemeinschaft der Heiligen, die Kirche, braucht euch junge Menschen.
Sie braucht Euch, dass ihr den Kampf des Glaubens weiterführt mit allen anderen Christen auf der Welt.
Sie braucht euch, dass ihr die Kirche immer wieder erneuert.
Neuen Wind hereinbringt.

Ihr seid berufen zum Ewigen Leben. Ihr seid berufen, den Kampf des Glaubens auf der richtigen Seite zu führen. Euer Schwert und euer Schild will Jesus Christus sein, der sich euch heute und alle Tage gibt.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Glaubenskämpfe, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Bruder und Herrn.

Amen.