Konfirmationspredigt zu 1 Kor 2,12: Endlich keine Muggel mehr!
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
Der Predigttext für den heutigen Pfingstsonntag steht: 1 Kor 2,12ff:
12 Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.
13 Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen.
14 Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich beurteilt werden.
15 Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt.
16 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen?« (Jesaja 40,13) Wir aber haben Christi Sinn.
Liebe Konfirmanden,
Ihr seid nun keine Muggel mehr!
Ja, ihr habt mich richtig verstanden! Ihr gehört spätestens jetzt nicht mehr zu den Muggeln. Ihr wisst Bescheid in Sachen Kirche, Glaube und Gott. Könnt nicht mehr so tun, als sei das alles für euch ganz unbekannt.
Muggel, liebe Gemeinde, das sind in der Welt von Harry Potter die normalen Menschen, die keine Ahnung haben, dass es Zauberer, Hexen, Flugbesen und Drachen auf unserer Erde gibt. Leute, die nicht einmal ahnen, dass sie in einer Welt voller Magie leben.
Vom Muggel zum Zaubererschüler wird man in der Harry-Potter-Welt mit der Aufnahme in die Hohe Schule für Zauberei und Hexerei zu Hogwarts. Und zum Aufnahmeritual gehört es, dass man einen besonderen, sprechenden Hut aufgesetzt bekommt, der die Person, die ihn trägt, scheinbar besser kennt als man selbst.
Und dieser sprechende Hut ordnet die Zauberer-Schüler verschiedenen Häusern zu. Da ist das Haus Griffindor, dessen Mitglieder sich gewöhnlich durch Tapferkeit und Mut auszeichnen. Dann gibt es den ewigen Konkurrenten in allen Dingen, ob nun Quiddich oder Hexenbesenrennen, das Haus Slytherin, deren Zauberer vor allem für ihren enormen Ehrgeiz und große Zielstrebigkeit bekannt sind. Weiter das Haus Ravenclaw, dessen zugehörige Zauberer meist für überdurchschnittliche Intelligenz und Weisheit stehen. Und zu guter Letzt das Haus Hufflepuff, in das jeder kommen kann, solange er nur gerecht, treu und fleißig ist.
Für Harry Potter ist die Sache einfach, als er nach Hogwarts kommt: Er bekommt den sprechenden Hut aufgesetzt und dieser ordnet ihn dann dem Haus Griffindor zu. Eine winzige Wahlmöglichkeit hat er immerhin als angehender größter Zauberer aller Zeiten, die er aber ausschlägt.
Nun stellt euch vor, ich hätte jetzt auch einen solchen Sprechenden Hut hier, und ihr müsstet ihn hier vorne am Altar aufsetzen.
Zur Wahl stünden hier und jetzt ebenfalls ein paar Häuser,
zum Beispiel: „evangelisch“, „unentschieden“, „gleichgültig“ und „ungläubig“.
Ich würde freilich hoffen, dass bei möglichst vielen der Hut EVANGELISCH schreien würde, aber da ich Realist bin und kein Traumtänzer, weiß ich, dass das nie und nimmer passieren würde. Ein Jahr lang habt ihr mich kennengelernt – und ich euch ebenfalls, so dass ich weiß, dass der Hut zumindest bei manch einem oder manch einer von euch ein deutliches „gleichgültig“ oder vielleicht sogar ein „ungläubig“ brüllen würde.
Doch der Hut aus Harry Potter schaut sich ja nicht bloß den aktuellen Stand eines Menschen an: der Hut aus Harry Potter schaut darauf, was wirklich in einem steckt, welches Potential, welche Möglichkeiten verborgen liegen.
Und da könnte es sein, dass der Hut bei jedem von euch auch eine starke evangelische Seite erblickt. Immerhin: Ihr seid alle getaufte Christen, habt alle ein ganzes Jahr lang mit Pfarrer Lange ausgehalten, wurdet beschult, seit in unzählige Gottesdienste gegangen, habt am Leben der Bonhoeffer-Gemeinde teilgehabt
und insgesamt Erfahrungen gesammelt, die keiner euch mehr nehmen kann!
Anders als bei Harry Potter gibt es aber gleich keinen Hut, der euch eurem Haus zuteilt. Anders als bei Harry Potter ist da niemand, der euch gleich in irgendetwas hinein zwingt.
Darüber, dass dieses „Ja,-wir-sind-bereit“ jetzt gleich keine Entscheidung von Eltern oder Verwandten, Pettern und Döds ist, haben wir gesprochen. Es ist allein eure Entscheidung. Eine Entscheidung, die ihr getroffen habt und gleich vor Gott und seiner Gemeinde laut „bejaht“. Ob ihr evangelisch sein wollt.
Und mit diesem ja verbunden ist weit mehr als evangelische Freiheitsliebe, christliche Hilfsbereitschaft und Kritikfähigkeit.
Mit eurem „Ja“ jetzt gleich legt ihr ein Bekenntnis zum Christentum ab. Ihr stimmt dann darin im Wesentlichen darin überein, was das Glaubensbekenntnis für Aussagen trifft.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass spätestens jetzt einigen von euch ein wenig mulmig geworden sein dürfte. Ist das denn gleich wirklich ein „Ja“, das ich guten Gewissens und reinen Herzens sagen kann?
Liebe Konfis, wenn einer unter euch problemlos zu allem, was ich euch im vergangenen Jahr erzählt habe, ja sagen könnte, wäre einer von uns beiden ein Heiliger… (und ich bin es nicht)!
Nehmt dieses aus dem heutigen Tage mit: Christsein, das ist eine Aufgabe. Und zwar eine für jeden Tag, für ein ganzes Leben, an der man wächst. Ähnlich wie Harry Potter aus dem Haus Griffindor nicht gleich der „Größte Zauberer aller Zeiten“ ist, seid ihr nicht mit der Konfession evangelisch gleich der größte Christ oder Heilige aller Zeiten! Christentum will angewendet sein, will weiter erfahren, weiter gelernt sein. Christentum muss auch über die Konfirmation hinaus Gehör finden.
Ich sage das deshalb, weil zur Zeit im evangelischen Christentum ein furchtbares Missverhältnis besteht zwischen Wissen um Inhalte einerseits und dem Tun dessen, was man noch so gemeinhin für christliche Werte hält andererseits. Wie soll man denn christliche Werte begreifen, wenn man das Wesen des Christentums nicht begriffen hat und nur noch so wenig Glaubenswissen vorhanden ist, dass man nicht mehr weiß, was Pfingsten eigentlich für ein Fest ist!?
Evangelisch-sein, liebe Konfis, so hat das mal einer eurer Petersberger Mitkonfirmanden ausgedrückt, ist „Religion für Faule“.
Ja, das stimmt, da unser Glaube unglaublich viel Spiel lässt für alle möglichen Ausformungen. Und es stimmt, weil evangelische glauben, dass sie ja ohnehin von Gott geliebt sind, egal, was sie tun.
Evangelisch zu sein, liebe Konfis, ist aber aus genau diesem Grunde besonders schwer! Weil mir eben niemand sagt, was genau zu tun ist. Weil es die so oft beschworenen „christlichen Werte“ doch nur in der jeweiligen Ableitung aus dem Glauben gibt. Die so hochgelobten Werte, liebe Konfis, die entstehen bei jedem Menschen im Gewissen stets neu. Wir Evangelischen sind damit eine Religion im Dauer-Ausnahmezustand: Keiner da, der mir dabei hilft, alles immer gleich richtig zu machen. Oder?
Doch, da sind welche, die euch helfen, aber das Ausführen, das Tun, das müsst ihr schon selber machen. Ähnlich wie Harry Potter in der Zauberer-Welt einen großen Förderer, Unterstützer und Mentor in Albus Dumbledore hat, bietet euch der evangelische Glaube in all der großen Freiheit viele Hilfsmittel an, wie der christliche Glauben denn gelebt werden kann. Ich will nicht behaupten, dass ich für euch zum Dumbledore werden könnte, dafür fehlt mir der Bart und ich halte gern längere Reden, aber als einen Helfer auf dem Weg, den Glauben auszubauen, verstehe ich mich schon. Ich will euch gern die Hand reichen und fordere euch geradezu auf, genau jetzt weiter zu machen und euch hier in der Gemeinde anzudocken: Sei es in der Jugendgruppe, beim Helfen im Kindergottesdienst oder beim Ausarbeiten eines Jugendgottesdienstes.
Der persönliche Glaube ist mit der Konfirmation ja lange noch nicht abgeschlossen: Den Kinderglauben, den habt ihr längst hinter euch, ihr seid nun keine Muggel mehr. Es wird an der Zeit, auf dieser neuen Stufe weiter zu kommen und die nächste anzugehen.
Große Macht steht dem zur Verfügung, der die Muggelwelt hinter sich gelassen hat. Ihr habt immerhin die ganze Power des Heiligen Geistes im Rücken, der nun seit zwei Jahrtausenden in die Geschicke der Christen eingreift. Ihr habt die Hilfe der Kirche, ihr müsst sie bloß in Anspruch nehmen wollen. Ihr seid Gesegnete und Heilige im Glauben an Jesus Christus. Ihr habt das Geschenk des Ewigen Lebens. Ihr seid Geliebte Gottes. Sogar der Tod muss euch jetzt nicht mehr schrecken. Ihr werdet auferstehen!
Ihr habt die Welt Gottes erblickt, die unsere normalsterbliche Welt einschließt und mit seinen Wundern ausfüllt, wenn ihr diese Welt mit Augen des Gläubigen betrachtet.
Ihr solltet wirklich nicht länger so leben, als wäret ihr Muggel!
Ach, eines noch: Wendet eure Magie in der Muggelwelt ordentlich an!
Zaubert!
Dumbledore sagte einmal zu Harry Potter: „Worte sind – meiner nicht so bescheidenen Meinung nach – unsere wohl unerschöpflichste Quelle der Magie. Sie können Schmerz sowohl hinzufügen, als auch lindern.“
Nutzt diese eure Magie zum Guten! Ihr habt Worte! Achtet auf sie! Das Wort Gottes macht sogar Tote wieder lebendig. Wenn eure Worte aus dem Glauben heraus andere auch nur befähigen, ein kleines bisschen lebendiger zu sein als zuvor, dann habt ihr schon viel geschafft!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.