Ewigkeitssonntag 2013: Meine Worte werden nicht vergehen (Mk 13,31-37)

Predigt zu Mk 13,31-37

Gnade sei mit euch und Friede von dem der da ist, und der da war, und der da kommt.

Amen.

Mk 13,31 Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.


32 Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.

33 Seht euch vor, wachet! Denn ihr wißt nicht, wann die Zeit da ist.

34 Wie bei einem Menschen, der über Land zog und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht, einem jeden seine Arbeit, und gebot dem Türhüter, er solle wachen:

35 so wacht nun; denn ihr wißt nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen,

36 damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt.

37 Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!


1. Welt der Physis

Liebe Gemeinde,

wir wissen mittlerweile ganz gut Bescheid. Was das Alter des Universums angeht und seine Ausdehnung. Wie lange Sterne brauchen, bis sie verglühen. Wie lange unser Stern, die Sonne, noch haben wird, bis er verlischt. Wie lange unsere Erde noch bewohnbar sein wird.

Sie wird nach kosmischen Maßstäben schon ziemlich bald, nämlich bereits in etwa 500 Millionen Jahren nicht mehr von uns Menschen bewohnbar sein, da die Sonne auf dem Weg ihrer Verwandlung hin zu einem sogenannten Roten Riesen bis dahin immer heißer geworden sein wird. 100°C mehr im Durchschnitt auf der ganzen weiten Welt, und das immer weiter ansteigend, ist das Resultat dieses unumkehrbaren physikalischen Prozesses. Und in etwa sechs Milliarden Jahren, das ist schon noch eine ganze Weile, wird die Sonne die Erde verschlingen.

Dann, allerspätestens dann ist Schluss mit Leben auf diesem doch so schönen Planeten.

Sollte die Menschheit sich so rasant technisch und wissenschaftlich fortentwickeln wie in den letzten 50 Jahren, und sollten wir es bis dahin geschafft haben, uns nicht selbst auszurotten, dann könnten unsere Nachfahren vielleicht auf riesigen Raumschiffen zusammen mit Tieren und Pflanzen unterwegs sein zu neuen Welten. Irgendwo in der Galaxis, in den Weiten der Milchstraße, wird sich schon ein Planet finden, den wir dann bewohnen könnten.

Wir wissen also ziemlich genau darüber Bescheid, wie und wann etwa diese unsere Welt, der Planet Erde, zu Ende gehen wird.

2. Welt der Existenz

a: Philosophie

Liebe Gemeinde,

wir wissen sehr genau, wann die physikalische, materielle Welt vergehen wird. Bloß nützt uns dieses Wissen im täglichen Leben leider rein gar nichts.

Eine Welt bricht doch in dem Moment zusammen, wenn ein Mensch stirbt. Dann verschwindet eine ganze Welt. So wie er oder sie gelebt hat. Was er gefühlt hat. Was sie gedacht hat. Was er erlebt hat. Wen er geliebt hat und wie sie geliebt wurde.

All das kommt zu einem endgültigen Ende, wenn ein Menschenleben zu Ende geht.  Und das ist traurig. Meistens traurig, wenn der Mensch „alt und lebenssatt“ stirbt. Trauriger, wenn er zu jung stirbt. Oder „plötzlich und unerwartet“. Und umso trauriger, wenn ein Mensch seinem Leben freiwillig ein Ende setzt – so wie diese Woche bei Uttrichshausen auf der Autobahn.

Denn der Verlust wiegt viel mehr als bloß der eines Menschenlebens. Davon gibt es ja eigentlich auch so viele!  Das, was uns schmerzt, was uns manchmal an die Grenzen des Verstehens und des Aushalten-Könnens versetzt, ist der Verlust einer ganzen Welt, die stets mit einem Menschenleben verbunden ist.

Und: über das Ende dieser vielen Welten wissen wir meistens nichts. Das Ende eines Menschenlebens liegt im Dunkeln. Den Todeszeitpunkt können wir nicht voraussagen. Vielleicht auch besser so, wird mancher denken.

b) Jesus

Der Psalmbeter wagte sich zwar aus der Deckung und sagte: „70, wenn´s hoch kommt 80 Jahre“, dauere ein Menschenleben, aber das ist ja keine ordentliche Voraussage. So setzt also Jesus das Kommen des Herrn für die Nacht an. Dann, wenn man für Besuch nicht wirklich vorbereitet ist. Dann, wenn man müde und abgekämpft zu Bett gehen will. Allzu oft schaut dann, so Jesus, der Tod vorbei. Oder besser: Meist im unbekannten Moment schneidet der Herr über Leben und Tod den Lebensfaden ab – und zudem tatsächlich meistens in der Nacht.

Und mit dem Verlust eines geliebten Menschen müssen die Angehörigen dann umgehen lernen. Der fehlt und der Verlust schmerzt. Und er schmerzt besonders häufig an den Tagen, die besonders hell waren: Zur Weihnachtszeit, am Heiligen Abend, zum Jahreswechsel an Sylvester, an den Geburtstagen. „Ach, wäre sie doch jetzt hier“, höre ich mich da sagen.

Der Herr über Leben und Tod kommt in der Nacht. Und er verdunkelt mit seinem Kommen ganze Welten; manche scheint er im Meer der Tränen ganz zu verschlingen.

Und jetzt gibt Jesus uns einen weisen Rat. Er gibt zu, dass nicht einmal er selbst weiß, wann ein Leben zu Ende geht und der Herr kommt. Aber er empfiehlt uns, dass wir uns trotzdem auf sein Kommen vorbereiten. Da er ja ohnehin kommt, ist´s nicht schlecht, wenn man vorbereitet ist.

Er ruft uns zu: „Vergesst nicht, dass der Herr gerade dann kommt, wenn ihr es nicht erwartet.“ Und er will uns damit nicht niederdrücken oder fertig machen. Sondern dass wir uns mit dieser Tatsache anfreunden oder sie zumindest akzeptieren können. Dass es so ist wie es ist und wir die Zeit, die wir haben nicht mit Schlafen vertüddeln. Wachsam-Sein ist seine Empfehlung. Und zu diesem Wachsam-Sein gehört die Schau auf das eigene Leben und auf das Leben meiner Nächsten unverfälscht.

Wie oft höre ich bei den Beerdigungsgesprächen:

„Wir konnten uns noch gut verabschieden und haben Ungeklärtes geklärt.“

Ebenso oft steht aber noch manches im Raum, was man zu Lebzeiten gut hätte sagen können – aber dann ist es zu spät und wir können uns nur noch der Vergebung Gottes empfehlen, da derjenige, den man gern noch um Verzeihung gebeten hätte, gestorben ist. Auch das kommt eigentlich ziemlich oft vor.

Wachsam-Sein bedeutet dann, dass wir mit den uns umgebenden Menschen bei allem Respekt ehrlich und gerade heraus umgehen. Dass wir uns vielleicht für heute vornehmen, ein Problem endlich aus der Welt zu schaffen, das wir mit jemandem haben, indem wir auf ihn oder sie zugehen und es im Guten versuchen. Bevor es zu spät ist.

Denn ihr wisst nicht, wann der Zeitpunkt da ist.

3. Welt des Glaubens

Liebe Gemeinde!

Ihr dürft dies wirklich frohen Mutes tun: Aufeinander zugehen und aus der Macht der Vergebung heraus leben. Denn Jesus sagt ja noch etwas. Am Anfang unseres Predigttextes sagt er einen Satz, den ich Euch bei jedem Abendmahl mit auf den Weg gebe, da er mir selbst so wichtig geworden ist.
Er sagt: Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.

Vom unendlichen Weltraum und der Welt der Physik sprach ich am Anfang. Klar, diese Welt wird vergehen. Himmel und Erde. Genug davon.

Wenn Jesus aber behauptet, dass seine Worte nicht vergehen, dann ist damit mehr gemeint als die wenigen Worte, die wir in der Bibel von ihm haben. Auch wenn diese ebenfalls in Ewigkeit bleiben werden.  Wenn Jesus von Worten spricht, auf griechisch „logoi“ (von Logos), dann können wir uns an den Anfang des Johannes-Evangeliums halten, wo es heißt: „Im Anfang war das Wort.“ Und alles ist durch dieses Wort gemacht worden. Die ganze Schöpfung, der ganze Kosmos, und auch alle Menschen sind in dieses Wort mit hineingenommen.

Wir sind sozusagen Worte Gottes. Denn wir gehören zu seiner Schöpfung mit dazu. Und wenn es heißt, dass diese physikalische Welt vergehen wird, können wir doch eigentlich recht gut damit leben, wenn wir begriffen haben, dass die Worte von Jesus Christus in Ewigkeit bleiben.

Dass Du Deine Mutter wiedersehen wirst.

Und Du Deinen Vater.

Du Deinen Ehemann.

Deine Ehefrau.

Und Du Dein zu früh verstorbenes Kind.

Und dass alles, was ungesagt geblieben ist, im ewigen Wort Gottes gesagt sein wird. Und Verzeihen und Vergeben nicht nur in der Luft liegen, sondern Wirklichkeit geworden sind. Denn er, das lebendige Wort Gottes, legt seine rechte Hand auf dich und sagt zu dir:

„Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.