Epiphanias 2014: Predigt zur Jahreslosung Ps 73,28: Gott nahe zu sein ist mein Glück

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,
der die Welt erleuchtet,
sei mit euch allen.

  1. Das große Weihnachtsquiz und die Entzauberung der Welt

Liebe Gemiende!

Eine meiner Lieblingsquizfragen beim „Großen Weihnachtsquiz“, das ich gern mit Konfirmanden, Schülern, aber auch unserm Seniorenkreis in der Advents- und Weihnachtszeit spiele, lautet so:

Wieviele Könige brachten gemäß der Bibel  dem Christkind Geschenke: 2, 3, 4 oder gar keiner. Meistens ist die Antwort schnell gegeben. Weiß es einer von euch?

Die meisten von Euch werden gedacht haben: Na das waren doch drei. Drei heilige Könige aus dem Morgenland. Caspar, Melchior, Balthasar. Doch Pustekuchen: Die richtige Antwort lautet: Keiner. Denn es waren gar keine Könige. Es waren Weise, oder noch genauer: Magier, Astrologen aus dem Osten. Und sie gingen auch nicht zum Stall, sondern zum Haus der Maria. Und die Zahl ist ebenfalls nicht bestimmt. Da steht: Es kamen Weise. Also: mehrere. Gut, sie brachten drei Geschenke: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und daraufhin nahmen viele bereits im 2. Jahrhundert nach Christus an, dass es auch drei Weise sein mussten.

Wäre ja auch peinlich, zum Christkind so ganz ohne Geschenk zu kommen. (Weswegen den Hirten in unseren Krippenspielen ebenfalls noch rasch ein paar Geschenke angedichtet werden).

Und da die Geschenke doch recht teuer waren, und im Orient sich die Magier und Astrologen gern als Priester-Könige bezeichneten, entwickelten sich der Legende nach die drei Könige heraus, deren Namen wir wissen und deren Gebeine im Altar des Kölner Doms seit dem Jahr 1164 vereehrt werden können.

So, meine Lieben, entstehen Legenden, die die Herzen der Menschen berühren.

Doch ob uns etwas berührt oder nicht, sollte – wenn es um so etwas Gewichtiges geht wie unseren Glauben, das ist immerhin unser Weltbild – sich messen lassen mit der Wahrheit. Die Wahrheit wird wohl sein, dass die gesamte Geschichte der Weisen aus dem Morgenland eine Legende ist, die der Evangelist Matthäus erzählt, um die Einzigartigkeit von Jesus herauszustellen. Dass ein Stern gekommen sei extra für das Christkind. Dass dieser Stern jemanden leiten könne.

Übrigens ist es ganz interessant, dass gerade die Bibel mit dieser Geschichte Anleihen macht bei der Astrologie! Wird diese doch bereits in der Schöpfungsgeschichte in Genesis 1 völlig ad absurdum geführt, wenn es heißt: Gott „machte Lichter an die Feste des Himmels“, Sonne, Mond und Sterne. Und Gott sah, dass es gut war. Sterne haben nicht die Angewohnheit, über Häusern stehen zu bleiben. Aber Menschen haben die Angewohnheit, eine unglaubliche Phantasie zu entwickeln, wenn es darum geht, besondere Personen besonders herauszustellen.

Und so wird es wohl auch mit der Geschichte von den Heiligen Drei Königen sein. Eine Geschichte, die uns den Weg weisen soll zu Christus. Deren Ursprünge und historische Wahrheit jedoch völlig im Dunkeln liegen.

Wenn wir also der Wahrheit auf die Spur kommen wollen, müssen wir soweit zurück fragen, wie es uns möglich ist. Und können dann manche Überraschung erleben. Bis dahin, dass man zugeben muss: Wir wissen nicht, wie es sich tatsächlich zugetragen hat.


2. Die Jahreslosung 2014

Eine Überraschung kann man auch erleben, wenn man die diesjährige Jahreslosung genauer anschaut. Es ist ein wenig wie bei den drei Königen. Plötzlich verschwindet der schöne Satz und eine tiefere Wahrheit kommt ans Licht:

„Gott nahe zu sein ist mein Glück“, steht da im 73. Psalm im 28. Vers als Losung des Jahres 2014.

„Gott nahe zu sein ist mein Glück“ hat mich erst einmal angesprochen. Eine richtig schöne Jahreslosung. Bloß: Im hebräischen Urtext steht da etwas ganz anderes. Allein die katholische (oder ökumenische) Einheitsübersetzung bietet diesen wunderschönen Satz. Die Lutherübersetzung liest die Losung folgendermaßen: Psalm 73:28  „Aber das ist meine Freude, daß ich mich zu Gott halte.“

Klingt ganz anders, ist aber auch nicht korrekt. In beiden Fällen hat man den Eindruck, dass wir Menschen es sind, die Einfluss darauf hätten, dass wir Gott nahe sind oder wir uns zu Gott halten sollen. Und in beiden Übersetzungen schwingt ein wenig eine Aufforderung mit. In der Jahreslosung: wenn du Gott nicht nahe bist, dann könnte es doch gut sein, dass du nicht glücklich bist. Oder im Luthertext: Keine Freude erlebst.

Es ist das alte „Wenn-Dann-Schema“, das uns in die Irre führt: von Gott weg, hin zu uns selbst – und am Ende machen wir uns unseren Gott so, wie er uns gefällt.

Im Urtext lesen wir: „Und mir kommt Gott nahe, das ist für mich gut.“

Das Wort „Glück“ finden wir nicht in der ganzen Bibel ein einziges Mal. Und dass wir in irgendeiner Weise etwas dafür tun können, ist in diesem Wort völlig ausgeschlossen.

3. Mir kommt Gott nahe!

Wir wollen so gerne selber etwas machen, damit wir Gott erleben, erfahren, durchdenken können. Manch einer meint, wenn er durch den Wald geht, spürt er Gottes Nähe. Kann sein, dass das so ist. Kann aber auch sein, dass er einfach Wälder so gern mag, dass ihm dass wie das höchste Glück auf Erden vorkommt.

Manch einer meint, nur durch bestimmte Handlungen könne er Gott erfahren, etwas im Fasten, Pilgern, Beten. Klar: Eine Auseinandersetzung mit Gott kann nicht verkehrt sein. Es ist sogar gut, zu versuchen, Gottes Nähe bewusst anzunehmen. Wir müssen uns dabei aber ein wenig in die richtige Relation setzen: Wie wahrscheinlich ist es denn, wohl, dass wir Gott nahen können, wenn er das nicht will?

Versucht mal, einen Termin bei der Kanzlerin zu bekommen, ach was sage ich: Beim Fuldaer Oberbürgermeister! Das geht genau dann, wenn er oder sie das möchte – wenn man mal von Zufallsbegegnungen absieht. Wenn wir das Verhältnis Gottes zum Menschen anschauen, dann ist da doch noch ein größerer Abstand als zwischen mir und Frau Merkel.

Der Abstand ist sogar so unglaublich groß, dass ich persönlich es als gotteslästerlich betrachte, wen einer sagt, dass man selber Gott nahen will und das auch kann. Es ist doch hier ganz umgekehrt: Epiphanias, Erscheinung, Offenbarung: Das alles geht allein von Gott aus. Er hat uns Jesus Christus geschickt, damit wir den direkten Draht zu ihm bekommen. Allein durch Christus haben wir ihn immer bei uns. Er ist also bereits da. Man kann sich ihm nicht nahen! Gott erscheint, so wie er es will – und nicht so, wie wir es uns wünschen oder wollen.

Das durchzieht sich durch die ganze Bibel. Moses fürchtete sich vor der Gottesbegegnung und wurde dann doch zum Anführer der verfolgten Israeliten in Ägypten durch die Wüste. Des Propheten Jonas Gottesbegegnung endete im Magen eines großen Fisches. Levi der Zöllner rechnete weder mit freundlichen Menschen- geschweige denn mit einer Gottesbegegnung – und er wurde zum Jünger Jesu durch bloße Aufforderung.

Und immer da, wo Gott beschworen wird, gezwungen wird, menschengemacht werden soll, (auch das ist auffällig), geht das entweder schief oder mit dem Tod einher: Die Geisterbeschwörung von En-Dor endet mit König Sauls Tod, der Wettlauf um den richtigen Glauben zwischen Elias und den Baalspriestern endet mit dem Tod aller Baalspriester.

Gott lässt sich nicht zwingen. Gott kommt zu uns, so wie er will. Ist er erst einmal da, ist er nicht greifbar. Wir bekommen ihn nicht zu fassen. Allein durch Jesus Christuskönnen wir überhaupt etwas sagen, das etwas mehr ist als die große Spekulation. Allein vermittelt durch die Heilige Schrift können wir begreifen, was diese Erscheinungsweise Gottes als Jesus zwischen Krippe und Kreuz für uns bedeutet. Und allein durch den Glauben sind wir Menschen in der Lage, überhaupt erst von Gottesbegegnung zu sprechen!

„Und mir kommt Gott nahe, das ist für mich gut.“

4. Das ist für mich gut!

Jetzt will ich euch mal etwas fragen: Wer von euch ist glücklich? Irgendjemand? Nur zu! Arme hoch, es ist bloß der Test dieser Gemeinde! Ich fange mal an: Ich halte mich für einen glücklichen Menschen! Doch so viele?!

Das Wort Glück ist eine neuzeitliche Erfindung. Es hat es schlechterdings nicht gegeben in der Bedeutung, wie wir es heute verwenden: umfassende  Zufriedenheit. Damals hatte es allein die Bedeutung von „gutes Schicksal“, „positive Bestimmung“. Glück war damals mehr „Glück in der Lotterie“ als das Glück der Lebensfreude.

Das Glück unserer Tage ist doch mehr bestimmt als „Happiness“, „Frohsein“, diese Dinge. „Ich bin glücklich“, heißt bei uns nicht: Ich habe Glück gehabt, also etwa: Im Lotto gewonnen, die OP überstanden, sondern es heißt: „Mir geht es so richtig gut.“

Im Altertum hätte man da wohl eher den Begriff der Seligkeit verwendet, der dann wiederum Angelegenheit Gottes ist. Jesus sagt: „Selig sind, die da geistlich arm sind“ usw. Oder man hätte näher spezifizieren müssen, worin es einem denn „so richtig gut geht“. Erst die Neuzeit verwendet den Begriff so, wie wir es zu tun pflegen.

Im hebräischen Urtext bekommen wir es dann auch mit dem Wort „tov“ zu tun. Ihr kennt das Wort vielleicht aus dem jiddischen Begriff: Massel tov! Was so viel bedeutet wie: „Gutes Gelingen!“ Und wenn man dann etwas  vermasselt hat, dann ist etwas nicht gelungen.

Tov ist also gemäß der Jahreslosung das, was mit mir eine Gottesbegegnung macht. Gut. Gott ist für mich gut. Gott tut mir gut.

Wichtig ist anzumerken: Das Wort kommt in der Schöpfungsgeschichte vor. 7 mal. Nach jedem Werk heißt es: Und Gott sah, dass es gut – tov – war. Wenn also die Jahreslosung dieses Wort verwendet, dann kommen wir der schöpfungsmäßigen Bestimmung des Menschen auf die Spur: Es ist gut für uns Menschen, wenn wir als Gottes Geschöpfe in der Welt leben. Wenn das Getrenntsein von Gott aufgelöst ist und er uns ganz nahe ist.

Warum ist es also gut, dass Gott mir nahe ist? Weil es von Anfang an Gottes Plan mit der Welt war. Weil der Mensch ohne Gott nur ein Klumpen Erde, ein Klumpen Adam ist. Und wir nur mit Gott zu einer lebendigen Seele werden.

„Mir kommt Gott nahe, das ist für mich gut.“

Es mag exegetisch nicht sauber sein, aber: Dass das so ist, mit Gott und uns – gestern – heute – und in Ewigkeit: Das ist unser wirklich aller Glück.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alles Glück der Welt, bewahrte eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!