5. Sonntag nach Trinitatis 2017 zu Joh 1,35-51: „Was wollen Sie hier eigentlich?“

Von Pfarrer Marvin Lange, Fulda

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen
Predigttext
35 Am nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger;
36 und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm!


37 Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach.
38 Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister -, wo wirst du bleiben?
39 Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde.
40 Einer von den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus nachgefolgt waren, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus.
41 Der findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte.
42 Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.
43 Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa ziehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach!
44 Philippus aber war aus Betsaida, der Stadt des Andreas und des Petrus.
45 Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth.
46 Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh!
47 Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist.
48 Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, habe ich dich gesehen.
49 Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!
50 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres sehen als das.
51 Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.

Liebe Gemeinde,
seit einigen Jahren kursiert in den sozialen Medien der Text einer Journalistin, die sich bitterlich darüber beklagt, wie belanglos oder pseudointellektuell Predigten in evangelischen Kirchen seien. Entweder begebe man sich auf Kindergottesdienst-Niveau herab, mache zwischen Altar und Kanzel irgendeinen Quatsch mit Puppen, belanglosen Spielen und trivialen Aussagen, oder aber erzähle hochtrabend irgendwelche Dinge vom Geheimnis Gottes, von der Rechtfertigung des Gottlosen, von Gottes Liebe und Güte, ohne der Zuhörerschaft wirklich begreiflich zu machen, um was es da eigentlich geht. 
Was soll das denn sein, das Geheimnis Gottes? Und was hat es mit der Rechtfertigung des Gottlosen auf sich, wenn man selber überhaupt nicht mehr glaubt, dass man gerechtfertigt werden müsse? Und wie kann man von Gottes Liebe und Güte sprechen, wenn man noch nicht einmal verstanden hat, dass Gott überhaupt da ist. Weihnachten sei es dann ganz besonders schlimm, wenn der Pfarrer mit einem Rucksack kommt und ihn auspackt, Plattitüden zur Krippe erzählt oder ein verdammt schlechtes Theaterstück aufgeführt wird, das nur dazu dient, anwesenden Großeltern und Eltern ein wenig Tränen in die Augen zu zaubern. Die Journalistin verlangte nichts weniger als echte Verkündigung mit Leidenschaft und keine Plattitüden. Übrigens sei das auch der einzige und wahre Grund, warum so wenige Menschen den sonntäglichen Gang zur Kirche auf sich nähmen: Unterhalten kann das Internet tatsächlich besser – und den Geist sprechen kluge Bücher besser an – 
wenn dann der Mann oder die Frau auf der Kanzel eines von beidem versucht, ist es kein Wunder, dass er oder sie scheitert und viele Plätze frei bleiben.
Ich habe in dieser Woche den Ball aufgenommen und auf Facebook ziemlich herumposaunt, dass ich aus Leidenschaft predige, auch die Bereitschaft habe, bei den Menschen, die mir zuhören, gern auch mal anecke; insgesamt hoffentlich verkündige statt nur salbadere. Heute morgen solle sie mal kommen, da sei es im Bonhoefferhaus streitbar, nachdenklich. Und man solle mir sagen, wenn das hier alles nur langweiliger Unsinn ist, den ich verzapfe. Das ist ziemlich starker Tobak, denn Eigenlob richtet sich am Ende gegen denjenigen, der sich selbst so sehr lobt. Selbstkritik hingegen kommt bei den meisten Leuten eher an. Entscheiden Sie selbst, ob ihr Pfarrer einfach nur selbstgefällig ist und die Worte der Journalistin beherzigen sollte, oder ob sie ihm zumindest für heute nicht einfach mal Recht geben!


Anders gesagt: Wird hier und jetzt in diesem Raum das Evangelium verkündigt, die gute Botschaft Gottes ausgerichtet – oder gibt‘s hier nur Plattitüden?
Letzten Endes verbirgt sich hinter ihrer Antwort auch die Frage, was Sie hier eigentlich wollen: 
•    Sind Sie hier hergekommen für eine gute Einmannshow, bei der auch Kirchenvorsteher ein wenig beteiligt werden und es etwas auf die Ohren von unserer Organistin gibt? 
•    Oder erwarten Sie in diesem Raum Ruhe und Meditation? 
•    Oder sind Sie hier, weil sie nicht so recht wissen, was sie mit dem Sonntag sonst anfangen sollen? 
•    Oder sind Sie hier, weil sie hier gerne Bekannte und Freunde treffen? 
•    Von allem ein bisschen? 
•    Oder sollten sie tatsächlich hier sein, weil sie die Nähe Gottes suchen und etwas über den christlichen Glauben erfahren wollen und eventuell sogar noch die hier aufgeschnappten Gedanken in ihr eigenes Weltbild integrieren möchten?
Sollten Sie zu den letzteren gehören und wirklich hier sein, um von Gott zu hören, dann sind sie in bester Gesellschaft (und dies ist auch meistens die Motivation, mit der ich hier rede). 
Letzterer Grund, die Nähe Gottes, ist nämlich tatsächlich die Frage, die Jesus seinen ersten Jünger stellt, als diese ihm (nach einem Hinweis Johannes des Täufers) begegnen. 
Er fragt sie: „Was sucht ihr?“ 
Und die Jünger antworten, für uns erst einmal seltsam zu verstehen: „Wir wollen wissen, wo du wohnst.“ 
Hinter der Antwort verbirgt sich ein ganzer Rattenschwanz von Aussagen, die letzten Endes darauf hin zielen, dass diese Jünger Gott suchen. Denn: Ein Jünger hält sich da auf, wo sein Rabbi wohnt. Er folgt ihm auf Schritt und Tritt und möchte von ihm lernen. Nun ist es aber so, dass in dem Text ziemlich schnell Jesus als der Messias, der Christus, der König von Israel und der Welt bestimmt wird. In dem Moment, wo die Jünger fragen, wo ihr Rabbi Jesus wohnen würde, bedeutet das auch noch, in Erfahrung zu bringen, was es mit Gott auf sich hat, wie man es anstellen kann, selber im Bereich Gottes zu wohnen bzw. zu leben, ob Gott jedem einzelnen Menschen nahe ist oder auch und gerade nicht.
Die Frage die Jesus stellt ist nichts anderes als die Frage, die ich Ihnen gerade gestellt habe: Was wollt ihr hier eigentlich? 
Und meine Frage an die Journalistin: Was erwarten Sie eigentlich in einem Gottesdienst, von einem Gottesdienst?
Anhand der Stelle im Johannesevangelium lässt sich ziemlich gut zeigen, dass die Wege der Verkündigung für verschiedene Menschen ganz unterschiedlich ausfallen müssen. Da haben wir als allererstes Johannes den Täufer, der aus seiner Propheten-Rolle heraus begreift, dass Jesus der angekündigte Messias ist. Für ihn reicht es, dass Jesus an ihm vorüber geht. Da sagt er dann den orakelhaften Satz: „Siehe das ist das Lamm Gottes.“ So mag es manchen Leuten auch ergehen, dass sie in vielleicht frühester Kindheit von diesem Jesus erfahren haben, ihn für ihr Leben akzeptiert haben und seitdem auf diese Art und Weise leben. 
Die erste Jünger-Berufung hingegen bedarf schon wieder einer anderen Form der Verkündigung: Zwei Jünger des Johannes werden von dem Täufer darauf aufmerksam gemacht, dass Jesus das Lamm Gottes sei – und erst auf diese Rede hin springen sie auf Jesus an. Gehen zu ihm, heften sich an seine Fersen. Sie brauchen im Vorfeld jemanden, der ihnen in der Sprache des Mythos weiterhilft. Johannes sagt nicht: „Das ist der Messias, dem folgt mal nach.“ Dieser Art klarer Rede scheinen die beiden Jünger nicht zu brauchen. Für sie ist die orakelhafte Sprache die geeignetere. Die Art der Verkündigung, die diese beiden Jünger bekommen, ist diejenige, welche manche Pfarrer auch heutzutage ganz gerne anwenden, wenn sie Gottes Geheimnis einfach stehen lassen und eben nicht alles erklären wollen. 
Wenn solche Sätze geraunt werden wie: „Gott ist immer der ganz andere.“ Oder auch: „Das können wir nur im Glauben erfahren und nicht wissen.“ Dann werden Menschen angesprochen, wie diese beiden ersten Jünger, Andreas und ein anderer, vielleicht bereits Simon Petrus. (So ganz klar ist das im Evangelium nicht, vermutlich wurde der Text später vom Evangelisten oder einem seiner Schüler verändert). Diese eher mythologische Herangehensweise an die Religion spricht freilich manche Menschen an, andere aber so gar nicht.
Und gleich passiert es auch, dass in unserem Predigttext Simon Petrus von seinem Bruder Andreas zu Jesus geschickt wird, nachdem er ihm ausgerichtet hat, dass sie den Messias gefunden hätten. Als Simon dann zu Jesus kommt, wird ihm von diesem sofort ein neuer Name verpasst: Petrus, Kephas, Fels, auf dem die Kirche gebaut werden soll.
Und wieder können wir den Vergleich ziehen: Ein Verwandter kümmert sich darum, dass dieser von Jesus erfährt. Und in dem Moment, wo er auf Jesus trifft, bekommt er gleich einen neuen Namen. Wir haben diesen Ruf in die Nachfolge in der Kirche im Vollzug des Sakrament der Taufe aufgenommen. Dort werden zwar keine Namen mehr vergeben (das macht das Standesamt ja heutzutage), aber der Name wird nach wie vor laut und deutlich genannt und so in Form eines Rituals der Mensch in den Bereich Gottes gestellt. Wie wird man also ein Jünger? Indem Gott den Menschen zu einem Jünger macht, aber sehr oft doch vermittelt durch Verwandtschaft! Wie verkündigt man aber der Verwandtschaft die gute Nachricht Gottes? Das kann doch nur in einfachen Worten geschehen. Ich denke dabei an die vielen Kinder, die wir taufen, die jungen Leute, die sich konfirmieren lassen: Für diese etwa akademische Lesungen zu halten wäre genauso verfehlt, wie Ihnen heute Morgen mit der Kinderbibel zu kommen. Je nachdem, wer angesprochen werden soll, muss in der Sprache angesprochen werden, die er oder sie verstehen kann, gegebenenfalls sogar mit Theater, mit Puppen oder mit einem Spiel im Gottesdienst – oder er wird die frohe Botschaft nicht verstehen. 
Freilich könnten wir uns überlegen, ob wir unsere Bonhoefferkirche mehr in eine spezielle Richtung ausrichten wollen. Vielleicht wäre es eine Idee, in Fulda die Kirchen nach Neigungen und Milieus zu unterteilen: Hier die Kirche, die mehr Familien anspricht, dort die Kirche, von der sich eher die Traditionalisten angesprochen fühlen, da eine Kirche für die Avantgarde, dann eine andere Kirche für die ganz abgehängten und sozial benachteiligten Leute. Und vielleicht dann noch eine Kirche für die normalen Menschen? Ich vermute, jede Kirchengemeinde würde diese Zielgruppe ansprechen wollen! Was also tun?
Zäsur
Aber es geht ja noch weiter! Mit der Nachfolge des Petrus ist die Geschichte ja noch nicht am Ende! Philippus ist der nächste Jünger, der gefunden wird. Er wird von Jesus direkt aufgesucht und zum Jünger gemacht. Er gehört übrigens zur Nachbarschaft des Andreas und Petrus. 
Hier findet sich der indirekte Aufruf versteckt, in seinem eigenen Umfeld die gute Nachricht weiterzugeben. Also nicht allein darauf zu setzen, dass der Pfarrer es schon macht in seiner Kirche und man da selber ja auch ganz gern am Sonntag hingeht, sondern zu begreifen, dass die Kirche nur dann wachsen und gedeihen kann, wenn sie von den Menschen für die Menschen gemacht und getragen wird.
Ein winziges Detail dieser Berufung soll dabei nicht unerwähnt gelassen werden: Jesus findet den Philippus direkt und macht ihn zum Jünger. Aber was tut Philippus dann? Er geht zu Nathanael und erzählt, er hätte Jesus gefunden. Er macht ziemlich große Worte gegenüber Nathanael, als wolle er damit zeigen, was er doch für ein toller Hecht ist, dass gerade er Jesus gefunden habe. Mich erinnert dieses fast schon ironische Detail an manche unserer Mit-Christen, die einen sehr großen Wert auf das eigene, persönliche Bekenntnis legen und immer wieder betonen müssen, dass sie selbst es ja sind, die Jesus im Herzen tragen. 
Solche Leute können nervig sein. 
In unserer Geschichte aber funktioniert es, und darauf kommt es an: Auch Nathanael wird zum Jünger gemacht, der dazu vom Philippus mit ziemlich vielen frommen Worten dazu gebracht wird. Aber erst nach gewissen Widerständen lenkt er ein: 
Nathanael wundert sich noch, was denn aus Nazareth Gutes kommen könnte. Und erst ein kleines Wunder Jesu – Jesus zeigt seine unglaubliche Allwissenheit – überzeugt Nathanael dann. 
Der Evangelist Johannes will damit zeigen, dass Gottes Wege undurchschaubar und überraschend sind. Ein wenig so, als würde ich Ihnen erzählen, der Messias würde aus Bernhards oder Dietershahn kommen: ein zutiefst seltsam anmutende Gedanke, aber ähnlich muss es Nathanael gegangen sein, als er das von Philippus gehört hat.
Also, was sucht ihr hier im Gottesdienst?
Und vor allen Dingen: Auf welchen Wegen findet ihr das, was ihr sucht?
Habt ihr denn schon gefunden, was ihr sucht?
Ist es irgendwie geschehen, geradezu mythisch, dass ihr zum Glauben gekommen seid, einfach dadurch, dass ihr euer Leben gelebt habt? 
Oder war es irgend ein Lehrer oder ein Pfarrer oder ein kluger Mann oder Frau, die euch auf diesen Weg gebracht hat? 
Oder waren‘s Verwandte, die Eltern oder Großeltern? Ein Patenonkel? War´s jemand aus der Nachbarschaft oder dem entfernteren Bekanntenkreis? 
Oder gehört ihr zu den wenigen glücklichen Auserwählten, die an ihrem eigenen Leib schon einmal ein echtes Wunder erlebt haben?
Wie auch immer ihre Antwort ausfällt, diese ganzen Bekehrungsgeschichten und Erlebnisse, diese Rufe Jesu in die Nachfolge, die die Damaligen genauso getroffen haben wie sie uns heute treffen, sind und bleiben unter einem tiefen Schleier verborgen. 
Jeder und jede hat seine eigene Biografie, was den eigenen Glauben betrifft. Und so ist auch im Johannesevangelium kein psychologisches Interesse erkennbar. Die jeweilige Motivation, warum nun genau nachgefolgt wird, bleibt vollkommen im Verborgenen. Es wird allein die Nachfolge selber herausgestellt.
Denn auf die kommt es im Christentum tatsächlich an.

Und nun könnte die Journalistin wiederkommen, von der ich am Anfang erzählt habe: Das sind doch alte Kamellen, die irgendwie vom Pfarrer mit der heutigen Zeit verbunden worden sind. Allein schon dieses Wort „Nachfolge“. Wer soll das denn verstehen, da ist noch gar nix verkündigt, schon gar nicht mit Leidenschaft, das ist salbadert.
Ich würde ihr antworten, dass ich‘s nicht besser kann! 
Und auch, dass der Text nicht allzu viel mehr hergibt. 
Als Pfarrer ist man nun mal an die Heilige Schrift gebunden und nicht unbedingt daran, was man selber gerade für besonders wichtig und interessant hält: Und heute Morgen ist die Nachfolge dran. Vielleicht ist es an der Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, inwiefern sie selbst in der Nachfolge lebt oder auch gerade nicht.
Und ich würde die Kritik dann doch irgendwie auch zurückgeben: Ich selber würde ihr die Frage stellen, was sie denn eigentlich will. Was ihr Interesse ist, wenn sie eine Kirche betritt. Ob sie in den Gottesdienst geht, um akademische Reden zu hören, oder erwartet, dass im wöchentlichen Rhythmus der Pfarrer immer wieder neue Gedanken entwirft, die alles, was bisher gedacht wurde, überflügeln? Oder ob sie vielleicht doch einfach nur kritisiert, um sich wichtig zu machen. Und nicht bereit ist, genau hinzuhören, das Gesagte auf sich wirken zu lassen und dann ins eigene Leben zu übertragen. 
Und von Seiten der Kirche darf es durchaus unterschiedlich geschehen: ganz anders, als es etwa der Bischof Algermissen in dieser Woche in der Fuldaer Zeitung behauptet hat: All die vielen Milieus und Gruppierungen, die es gibt, kann man doch nicht einfach unter einem einzigen Gottesdienst subsumieren! Was Jugendliche anspricht, spricht noch lange nicht Erwachsene an, spricht noch lange nicht Ältere an. Ein ländliches Milieu braucht einen anderen Zugang zum Evangelium als ein städtisches, im Seniorenheim sprichst du die Leute anders an als in der Hochschule.
Die Frage ist und bleibt doch, diejenige, die Jesus seinen ersten beiden Jüngern gestellt hat: 
Was sucht ihr eigentlich? Was wollt ihr eigentlich? 
Und erst wenn man diese Frage für sich und sein eigenes Leben beantwortet hat, erst dann kann man überhaupt den nächsten Schritt gehen, und das, was man sucht, bewusster auswählen und aufsuchen. Und, so Gott will, dabei merken, dass man von Christus längst gefunden worden ist, und zwar ganz ohne eigenes Suchen war er längst da.

Eine letzte verborgene Struktur des Predigttextes will ich ihnen nicht vorenthalten: 
An drei Stellen im Text fügt der Evangelist eine Übersetzung ein. Er übersetzt das Wort Rabbi mit Lehrer, das Wort Messias mit Christus, und das Wort Kephas mit Petrus, also Fels. 
Auch hier verbirgt sich eine Struktur der Bekehrung und der Nachfolge. Zunächst einmal wird Jesus von seiner Umgebung und zu Lebzeiten als Rabbi, als Lehrer wahrgenommen: Ein Rabbi ist einer, der große Weisheit mit sich bringt und einfach mehr Dinge weiß, als es andere Leute für gewöhnlich tun. Solange er aber als Rabbi, als Lehrer angesprochen wird, bleibt Jesus noch ganz Mensch und gehört im Denken des Jüngers noch nicht in die Sphäre Gottes. 
Erst im zweiten Schritt fällt einigen Jüngern auf, dass dieser Rabbi ja in Wahrheit der Messias ist, der Christus. Aus der reinen Nachfolge zu einem menschlichen Lehrer oder auch einem Guru, der ja eine religiöse Sondergemeinschaft der Juden angeführt hat, entsteht der Glaube daran, dass sich Gott selber bei Jesus gezeigt hat, ja Gott selber in Jesus anwesend ist. Aus dem reinen Rabbi wird der Messias. 
Und der Messias geht ganz schnell daran und gründet seine Kirche. Dies tut er, indem er Simon den neuen Namen „Kephas“ bzw. Petrus gibt. Petrus, der Fels. Die römisch-katholische Kirche baut ja bis heute ganz darauf dass der Papst in Rom der Fels ist, auf den Jesus seine Kirche gebaut hätte.
Was der Evangelist Johannes hiermit tut, ist uns mit dieser Struktur des Textes mehrere Wege in die Nachfolge zu ebnen: Man kann Christ werden darüber, dass man in Jesus einen besonderen Menschen erkennt. Dann kann man aber auch Christ werden, indem man ihn tatsächlich und gleich als den Christus, den Menschen gewordenen Sohn Gottes erkennt. Und zu guter Letzt führt der Weg über die Kirche selber, d.h. die Kirchengemeinde vor Ort. Also über all die vielen „Petrusse“, die wir hier bei uns haben: 
Klar, das sind die Pfarrerinnen und Pfarrer, die Religionslehrerinnen und Religionslehrer, die vielen Jugendreferenten und was es von Seiten der Kirche noch an hauptamtlichem Personal gibt. Aber es sind auch die vielen Praktikanten und Lektoren, die vielen Ehrenamtlichen, die diese Kirche mittragen und mitbestimmen. 
Und zu guter Letzt jeder getaufte Einzelne, der bei sich Zuhause die gute Nachricht etwa an seine Kinder oder Enkel weitergibt;  gegenüber der Nachbarschaft, Freunden und Bekannten offen und einladend ist und den Gottesdienst des Sonntages in die Woche hineinträgt, indem er oder sie die Nächstenliebe lebt. 
Das ist Nachfolge Jesu Christi. Hoffentlich ohne zu salbadern.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Bruder und Herrn.